In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Studienvater zu sein.
Jedoch am 16ten – zwei Tage vor Sankt Lukas und dem angesetzten Studienbeginn – hatte sich Doktor d’Assas noch nicht gemeldet. Ich unterstellte dies seiner Säumigkeit, weshalb ich entschied, Accla zu satteln und Frontignan ein zweites Mal aufzusuchen, im übrigen es mich irgendwie auch nach der Güte und dem Geist des königlichen Professors gelüstete, nicht minder nach seinem Wein und seinen Törtchen und, warum soll ich es nicht gestehen, nach den schönen grünen Kulleraugen Zaras, mit denen sie ringsum alle jungen Burschen betörte. Mochte auf ihrer schönen Stirn auch zu lesen stehen
non licet tocare
1 und darum alles nur Traum bleiben – wer hätte sich diesem schönen Traum nicht gerne hingegeben? Wie in Mespech unser Steinbrecher Jonas sagte: »Ein Fuchs erfreut sich schon am Anblick eines Huhns, auch wenn er es nicht schnappen kann.«
Kurzum, mir wurde volles Augenergötzen zuteil, als ich das schmucke Kammermädchen wieder sah, auch Zunge und Gaumen kamen auf ihre Kosten, nicht minder das Gehör und der Geist, als ich den feingesponnenen Reden des Doktor d’Assas folgte – und ich bekam endlich meine Einschreibebestätigung, die er ungesäumt abfaßte in den folgenden sehr merkwürdigen Wendungen:
Descriptus fuit in albo studiosorum medicinae Petrus Sioracus, per manus, anno Domini 1566 die vero 16 octobris; cuius pater est Venerandus Doctor Saporta, nostrae scholae Cancellarius, qui eiusdem iura persolvit.
Datum Monspessuli ut supra. Doctor Dassassius.
2
Ich fand es merkwürdig, daß hier geschrieben stand, Doktor Saporta sei mein Studienvater, dabei ich diesen Schrieb aber benötigte, um ihn erst bitten zu dürfen, es zu werden. Ich wagte Doktor d’Assas darauf hinzuweisen, doch er erwiderte mit listigemLächeln, daß solcher Widerspruch oder gar Unsinn den Doktor Saporta nicht störe, wenn er nur
schriftlich
niedergelegt sei. Dabei er Stimme und Ton des Kanzlers in einer Weise nachäffte, daß wir beide schallend lachen mußten.
Die Medizinschule von Montpellier befand sich in der Rue du Bout-du-Monde und bestand – abgesehen vom anatomischen Theater, das Rondelet begründet hatte – aus zwei Sälen, der eine für die Vorlesungen gedacht und der andere, Promotionssaal genannt, für die Examina und Versammlungen, wo indes, Platzmangels wegen, durchaus auch Vorlesungen stattfanden. Verbunden mit den zwei Sälen, ragte ein wuchtiger Turm auf, dessen Glocke, von Pedell Figairasse gezogen, den Beginn der
Lektüren
anzeigte. Ich benutze hier das richtige Wort, denn unsere Lehrer, ob königliche Professoren oder ordentliche Doktoren, taten weiter nichts als daß sie die alten Autoren vorlasen, unter Beifügung eigener Kommentare, die sich in Quantität und Qualität sehr voneinander unterschieden.
Unmittelbar neben den beiden Hörsälen war ein umzäunter Garten, recht klein, aber ein Kleinod, in dem seit dem Amtsantritt Rondelets – er war ein großer Beobachter und Liebhaber der Natur gewesen, und ihm verdanken wir ein gar bewundernswertes Buch über die Fische – viele Heilkräuter gezüchtet wurden. Alle haben wir dieses Gärtchen später bestellt, reihum, und am eifrigsten mein lieber Samson, obwohl er nicht regulärer Scholar war, sondern nur Gasthörer in verschiedenen Vorlesungen sein durfte.
Doch ich bin den Dingen bereits voraus. Es war ein großer Tag für Luc, Samson und mich, als am Morgen von Sankt Lukas mit einer Festversammlung aller Professoren und Studenten im Promotionssaal der Unterricht unter Geläut eröffnet wurde.
Vorn auf dem Podium thronten hinter einem langen Eichentisch die vier königlichen Professoren, im Grad einander gleich, nicht aber in Funktion und Würde, denn weder Doktor Feynes noch Doktor d’Assas konnte sich der Verfügungsgewalt und Vorrechte von Kanzler Saporta und Dekan Bazin rühmen; Saporta war mit der Verwaltung der Schule betraut, Bazin leitete die Studien und war anscheinend wenig bereit, dem ersteren den Vortritt zu lassen. Doch hatte Doktor Bazin, ein hageres, betagtes Männlein, ganz ergraut und gebeugt, wenig Chancen, denschrecklichen Saporta auszustechen, der mein Studienvater war, wie es mir das von seiner Hand sehr ungebärdig unterzeichnete
Schreiben
lakonisch bescheinigte.
Doktor Feynes war, wie ich ihn später erlebte, ein guter Mensch und guter Dozent und unter den Professoren der einzige Papist (der einzige auch, den Bischof Pélicier der Schule hatte aufnötigen können). Er hatte schütteres Haar,
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