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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nachließ, sprach er laut:
    »Wer immer von den Scholaren, und wäre er Bakkalaureus, den Mund auftut, ohne daß ich es ihm befohlen hätte, den lasse ich von Herrn Pedell Figairasse im hohen Bogen hinauswerfen, und nie mehr im Leben betritt er mir dieses Haus. Ich bin der Kanzler dieser Schule, um hier Zucht und Ordnung durchzusetzen. UND ICH WERDE SIE DURCHSETZEN!«
    Die letzten Worte hatte er so laut gebrüllt, begleitet von einem donnernden Hammerschlag und einem bedrohlichen Pfeifen des Pedellstocks, daß die Scholaren sofort verstummten. Würfel, Spielkarten, Zwiebel und Trinkflaschen verschwanden. Gesänge und Spötteleien versackten in den Mündern. Und die Teufel wurden zu Heimlichtuern.
    »Hoho!« flüsterte Merdanson seinen Getreuen zu, »das ist ein ganz anderer Rondelet. Heiliger Bimbam, wir werden noch viel Pein erleben!«
    Saporta musterte die Versammlung gestrengen Auges, dabei jeder den Eindruck hatte, daß sein schwarzer Blick ihn bis ins Mark durchbohrte. Und bald war es so still, daß man einen Seidenwurm in seinem Kokon hätte zappeln hören können.
    »Meine Herren Scholaren«, fuhr Saporta fort, dabei seine Pupillen unerträglich funkelten, »ich tue Euch kund, daß die gräßlichen Mißstände, die unter Doktor Rondelet hier gang und gäbe waren, auf der Stelle abgestellt sind. Dazu bringe ich Euch die Statuten in Erinnerung, die zu befolgen Ihr im letzten Jahr weidlich gelobt und die Ihr doch so schändlich mißachtet habt. Also wiederhole ich zur Erinnerung besagte Statuten. Primo: Ihr habt beflissen teilzunehmen an den Vorlesungen, an den Versammlungen, an der Jubelfeier der neu gekürten Doktoren und an den feierlichen Umritten durch die Stadt. Secundo: Es ist Euch – bei Strafe des Ausschlusses – untersagt, in der Schule, in der Rue du Bout-du-Monde und den angrenzenden Straßen Langdolch oder Kurzschwert zu tragen, Messer, Spieß, Degen oder Stecheisen …«
    »Hoho! das geht zu weit, das beleidigt unsere Mädchen«, sagte Merdanson leise. Doch keiner ringsum wagte auch nur zu lächeln.
    »Noch weniger gestattet sind Terzerol, Pistole, Arkebuse und sonstige Schießprügel«, fuhr er fort. »Tertio: Wer in einer Taverne trinkt und ißt, ohne seine Zeche bezahlen zu können, wird von der Schule verwiesen. Quarto: Ebenfalls ausgeschlossen wird, wer im Bordell mit einer Dirne Unzucht treibt, sie in ihrer Sünde hält und von ihr Geld entgegennimmt. Ohnehin ausgeschlossen wird, wer stiehlt, und sei es eine Bratwurst oder eine Zwiebel. Mit der Rute gezüchtigt wird, wer während der Vorlesungen im Saal herumläuft, laut spricht, ißt, trinkt, mit den Füßen trampelt, würfelt oder in die Fensterecken pißt. Mit der Rute gezüchtigt werden auch jene, die auf dem Schulgelände raufen und einander traktieren mit Hieben, Backpfeifen, Nasenstübern und Fußtritten. Die Rute bekommt auch zu spüren, wer sich zu schmutzigen, ärgerlichen oder beleidigenden Worten wider einen königlichen Professor, einen ordentlichen Doktor, einen Lizentiaten oder einen Bakkalaureus erkühnt, ebenso wider den Pedell, der mit gebührlichem Respekt als Herr Pedell anzureden ist.«
    Geschmeichelt von dem Gedanken, fortan »Monsieur« tituliert zu werden – zu Rondelets Zeiten hatten ihn die Schüler »Feigenaas« genannt –, reckte Figairasse den Kopf stolz in die Höhe, mit einem pfeifenden Hieb seiner Rute.
    »Herr Pedell, künftig laßt Ihr Eure Rute erst pfeifen, wenn ich mit Hammerschlag Zeichen gebe«, sagte Saporta.
    »Zu Euern Diensten, Herr Kanzler.« Figairasse beugte sich bis zum Fußboden herab, das Gesicht puterrot (nicht nur die Nase). Doch obwohl er beim Aufrichten eine sehr verdutzte Miene machte, wagte kein Schüler ein Lächeln, so sehr spürten alle Hinterbacken Bedrohung durch diese schreckliche Rute, die unter Rondelet beinahe zum Spinnrocken verkommen war.
    »Und schließlich«, fuhr Saporta fort, »erinnere ich daran, daß zu Ehren von Meister Hippokrates mittwochs keine Vorlesungen stattfinden, außer wenn in besagter Woche bereits ein Tag ausfällt wegen eines Heiligen der … Katholiken (er wollte sagen »wegen eines Heiligen der Papisten«, hatte sich aber mit Blick auf Doktor Feynes besonnen), in welchem Falle wir natürlich mittwochs arbeiten, um nicht zwei Ausfalltage zu haben.«
    Doktor Feynes hatte seinerseits die anstandsvolle Geste in dieser Rede wahrgenommen und nickte dem Kanzler freundschaftlich zu. Was mir den Gedanken eingab, daß Doktor Saporta zwar ein Berserker war, bei

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