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In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: In unseren grünen Jahren: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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verwaschene Augen, wenig markante Gesichtszüge und war so fahl und blaß, daß er kaum auffiel, was ihm nur recht sein konnte, da er in diesem Hugenottennest in beständiger Furcht lebte.
    Kanzler Saporta und Dekan Bazin hatten die Mitte des Tisches inne, auf den äußeren Plätzen saß hie Doktor Feynes, am anderen Ende mein braver Doktor d’ Assas, rund und quicklebendig, der sich über alles köstlich zu erheitern schien, allerdings tief im Innern; denn wann immer der Kanzler oder der Dekan sich an ihn wandte, gab er höflich und bescheiden Antwort.
    Diesem hehren Podium gegenüber saßen, in gestaffeltem Rund nach ihrer Wichtigkeit, vornan die ordentlichen Doktoren, im zweiten Rang die Lizentiaten, im dritten alles, was sich Bakkalaureus nannte; alle im Ornat, dazu die Doktoren noch ein schwarzes Barett mit einer Quaste von karminroter Seide trugen, einen dicken Goldring am Finger der rechten Hand und um die Hüfte einen goldenen Gürtel. Vielleicht erinnert sich der Leser noch, daß Meister Sanches Mütze eine amarantfarbene Quaste trug und der Gürtel silbern war. So unterschied sich auf den ersten Blick ein Doktor der Medizin von einem Apothekermeister, mochte letzterer auch berühmt wie Meister Sanche sein.
    Auf dem nächsten Rang folgten die Schüler des zweiten Jahres, sehr laut und geschwätzig im Gegensatz zu den Novizen, die ganz bescheiden hinter diesen alten Hasen saßen, von ihnen abschätzig gemustert, dabei besonders Luc in Angst schien und sich schutzsuchend an mich drängte. Und endlich stehend, auch wenn da noch eine ganze Bank leer war, die Apothekenschüler und Chirurgenlehrlinge, die keine Scholaren waren, aber vom Kanzler, wider die Gepflogenheit, Zutritt erhalten hatten (schien es doch vorteilhaft, daß sie Kenntnis erhielten von den Statuten dieser Schule, deren Vorlesungen zu hören man ihnen gestattete).
    Wie ich sehe, hätte ich um ein Haar den weltlichen Arm unserer Institution vergessen, obschon ich triftigen Grund habe, mich seiner zu entsinnen: Pedell Figairasse. Er stand aufrecht zwischen Professorenpodium und Auditorium in seiner ganzen Machtvollkommenheit und Glorie, geschmückt mit der zu Sankt Lukas und den Vollversammlungen obligaten Prachtmontur: auf dem Haupt einen Helm (Erinnerung an seine Zeit als Soldat), bekleidet mit einem schwarzen Kasack mit Goldknöpfen, plustrigen roten Beinkleidern mit schwarzausgefütterten Schlitzen und malvenfarbenen Stiefeln, hochhackig, so daß sie den breitschultrigen Kerl noch größer machten. Sein Gesicht war feist, das lüsterne Auge kastanienbraun, die runde Nase gedunsen und stark gerötet (denn gemeinhin trank er nicht wenig); den linken Arm ersetzte, wie bei unserem armen Coulondre in Mespech, ein Eisenhaken, doch die Rechte schwang einen langen biegsamen Stock, der Insignie und zugleich Vollzugsinstrument war. Diesen Stock in seiner Hand bestaunend, zweifelte ich nicht, daß ich recht bald spürbare Bekanntschaft damit machen würde.
    Obwohl die königlichen Professoren bereits auf dem Podium saßen, eifrig miteinander im Gespräch, gab sich die Versammlung, ich meine ihren jüngsten Teil, lärmend laut. Die Scholaren tollten und kasperten ungeniert, ergingen sich nach ihrem Belieben, aßen Brot und Zwiebel, schlürften aus ihren Flaschen, rauften, würfelten, klopften Karten oder spielten mit einem schründigen Dukaten Wappen oder Zahl; etliche in einer Ecke sangen gar leise schweinische Lieder, andere bedachten einander mit antipapistischen Witzeleien, deren eine (sie schien mir von Rabelais inspiriert) die Frage stellte, wie es richtig heißen müsse:
Ich presse des Weibes Möpse in der Messe
oder
In der Messe zwacke ich des Weibes Hinterbacke.
    Andere Krachmacher (darunter ein rothaariger Teufel mit Namen Merdanson, der offenbar große Autorität besaß) wandten sich um und musterten herausfordernd die Novizen, was mir sehr mißfiel. Worauf Merdanson, unmittelbar vor mir sitzend, wie verwundert fragte:
    »Holla, was sind das für Banditen? Und was suchen die hier? Wie Menschen sehen sie kaum aus. Sind’s Esel? oder Affen? oder Handwerkslehrlinge? Was die für Visagen haben! Und zum Koddern stinkige Füße!«
    Hierauf Merdanson und seine Anhänger sich die Nase zuhielten und arg angewidert taten.
    Dem Kanzler, der sich mit Dekan Bazin unterhielt, schien dieser höllische Spektakel nun doch aufzufallen, er zog eine schrecklich dräuende Grimasse, pochte mit einem kleinen Hammer dreimal auf die Tischplatte, und als der Lärm nicht

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