In Vino Veritas
Mann lächelte ihn freundlich an. »Konichi-Wa!«
»Kein Problem«, erwiderte Julius. »Und danke, dass Sie mir helfen
wollten. Könnte ich den Film vielleicht haben?«
»Gozaimas!«
Es bedurfte der Hilfe des Englisch sprechenden Sommeliers im
»Hohenzollern«, um den Japanern klar zu machen, dass die hübschen Fotos vom
abenteuerlichen Teil ihrer Deutschlandreise eine Zwischenstation bei Julius
machen mussten. Aber als dieser versicherte, sie danach postwendend gen Japan
zu schicken und sie für den Abend zum Essen einlud, wurde sich viel verbeugt
und gelächelt. Wie sich herausstellte, hatten sie kein Wort von dem verstanden,
was Julius ihnen zugerufen hatte. Nur der Ton hatte die Musik gemacht.
Julius wollte eigentlich direkt nach Hause und duschen. Aber er
machte sich wie vereinbart auf den Weg zu Markus Brück. Endlich würde er ein
paar Antworten erhalten.
Schlecht gelaunt parkte er seinen Wagen quer vor dem
Mitsubishi Pajero des Kellermeisters. Der stand auf dem Parkplatz des zweiten
Schultze-Nögelschen Weingutsgebäudes, das von Dernau kommend Richtung Rech
zwischen B267 und Eisenbahn wie
ein notgelandetes Fracht-Raumschiff hockte. Die Konstruktion beeindruckte
Julius, aber so richtig passen mochte sie ins Tal nicht.
Mit einem Knall ließ er die Wagentür ins Schloss fallen. Das große
Tor stand wie immer offen, und Julius ging strammen Schrittes hindurch. Am
Eingang verrichtete die Presse ihr Tagwerk. Verheißungsvoll lief der dunkle
Most aus der Trommel in ein Auffangbecken. Ein wie eine große Schlange auf dem
Betonboden liegender Wasserschlauch verriet, dass der Kellermeister gerade erst
alles gereinigt hatte. Sauberkeit war erstes Gebot, da unterschieden sich
Winzer und Köche nicht, dachte Julius, während er nach Brück Ausschau hielt.
Aber der war nicht zu finden. Weder im Hauptraum noch in den übrigen Zimmern.
Julius begann zu rufen, denn hier sein musste er, schließlich stand der
Geländewagen draußen. Keine Antwort. Dafür kam Moritz träge angetrottet, Siggis
dreifarbiger Cockerspaniel und seines Zeichens ausgebildeter Jagd-, Schweiß-
und Stöberhund. Julius ging in die Hocke, um das Tier hinter den Ohren zu
kraulen. Erstens mochte Moritz das, und zweitens konnte Julius so vermeiden,
dass der Hund ihn ansprang und den Dreck unter den Pfoten quer über die Hose
verteilte. Heute schien aber keine Gefahr zu drohen, denn der Spaniel wirkte
niedergeschlagen, kein freudiges Wedeln war zu sehen. Und gekrault werden
wollte er auch nicht.
»Na, bist du noch traurig, dass dein Herrchen nicht mehr da ist? Du
treue Seele!«
Moritz sprang mit den dreckigen Vorderpfoten auf Julius’ Knie und
leckte ihm quer durchs Gesicht. Im Nu war Julius wieder auf den Beinen. Er
musste seine Hunde-Taktik wohl noch einmal überdenken.
»Weißt du vielleicht, wo der Markus ist?«
Bellen.
»Ja, hast du den Markus gesehen?«
Bellen.
»Dann zeig mir den Markus! Kannst du mir den Markus zeigen?«
Lautes Bellen. Aber Moritz blieb stehen. Julius fiel der Spitzname
des Kellermeisters ein, den er durch seine Ähnlichkeit – wenn auch die
Hautfarbe nicht stimmte – mit dem Ohrenabbeißer und Boxer Mike Tyson
verpasst bekommen hatte.
»Wo ist der Mike?«
Der Name schien im Hundehirn ein paar Glocken läuten zu lassen. Es
folgten zeitgleich Bellen, Heulen, Weglaufen. Moritz sprang an der
Traubenpresse hoch.
»Ja, da hat der Mike eben dran gearbeitet. Aber wo ist er jetzt?«
Aufgeregtes Bellen. Erst in diesem Moment kam Julius der Gedanke,
dass der Hund vielleicht einfach nur Appetit auf die ausgepressten Trauben
hatte. Wie Siggi immer voller Stolz erzählt hatte, fraß Moritz alles.
Einschließlich Korken. Julius schob die Öffnung der KVT Maxipress auf und fand die Füllung, aus der die Maschine in den letzten Minuten
den besten Saft herausgepresst hatte: Markus Brück. Tot.
IV
»Spaghetti Diavolo«
Das Telefon klingelte. Und klingelte. Und klingelte
weiter. Jemand nahm ab und redete kurz. Legte auf. Das Telefon klingelte
wieder. Und klingelte. Und hörte nicht auf zu klingeln. Endlosschleife. Julius
hätte sich eigentlich über jeden Anruf freuen sollen, aber es gelang ihm nicht.
Der Grund für das akustische Bombardement lag vor ihm auf einem der Tische des
Restaurants ausgebreitet: Zeitungen. Alle berichteten über die beiden Morde und
schickten ihre schreibwütigen Bluthunde an die Ahr. Das Erste, worum die
Spesenritter sich kümmerten, war, ihren Kreuzzug zum kulinarischen Gral des
Tals zu planen.
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