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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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dann
seine Augen! Irgendwann waren wir auch mal im ›Goldenen Pflug‹ in Köln, als der
noch drei Sterne hatte, als Erster in Deutschland, ihr erinnert euch. Das war
zu seinem Geburtstag. Und beim Dessert hat er dann gesagt: ›Weißt du, was das
schönste Geschenk für mich wäre? Wenn du eines Tages ein richtig großer Koch
wirst. Wenn du mal einen Stern hättest. – Aber du musst ja unbedingt
Buchhalter werden!‹.«
    Die Runde nickte bedächtig. Dann stießen sie darauf an.
    »Auf deinen Stern!«, brummte Bassewitz und hob das Glas, soweit es
sein kurzer Arm zuließ.
    »Auf deinen Stern!«, stimmten die anderen ein.
    Prieß richtete sich in seinem Stuhl auf, als hätte er ein Ei gelegt.
    »Ich mach euch ja ungern die Stimmung kaputt, und ich würd’s dir
wirklich gönnen, Julius, das weißt du, aber ich glaube, das wird dieses Jahr
nix.«
    Das »Wieso?« kam wie aus einem Mund. Was wusste der eigenbrötlerische
Prieß, was den anderen noch nicht zugetragen wurde?
    »Sie wollen die ›Graugans‹ und das ›Hummerstübchen‹ runterstufen.
Aus Frankreich ist wohl die Weisung gekommen, dass Deutschland zu gut dasteht
im internationalen Vergleich. Und jetzt müssen Köpfe rollen. Kann sogar sein,
dass es einem Drei-Sterner ans Leder geht. Raufstufungen sind dieses Jahr
jedenfalls nicht drin. Tut mir Leid für dich.«
    Dieser Schlag traf Julius in die Magengrube. Bassewitz startete
einen Aufheiterungsversuch.
    »Nun lass mal den Kopf nicht hängen! Wenn du gut genug auftischst,
kommen die gar nicht an dir vorbei!«
    »Genau«, pflichtete Antoine bei, »ich geb dir sogar kostenlos ein
paar von mein Kräutern ab!«
    Ein Raunen ging durch die Runde. Für Spendabilität war der
geschäftstüchtige Franzose nicht bekannt. Julius nahm einen großen Schluck des
kräftigen Dornfelders.
    »Darauf komm ich zurück, das sag ich dir,
Antoine!« Er zwang sich ein Lächeln heraus.
    »Anderes Thema«, setzte Prieß an, »hat noch irgendwer Reserven von
Schultze-Nögels Weinen? Wir haben ständig Nachfragen. Ihr wisst ja, dass er
mich nicht beliefert hat. Er war ein Mistkerl, ‘tschuldigung, aber das ist die
Wahrheit. Also, wie sieht’s aus?«
    Alle schauten ihn ungläubig an. Wie naiv konnte man eigentlich sein?
Als würde es irgendjemandem anders ergehen. Antoine, der ebenfalls nicht zu den
von Siggi mit Wein bedachten Restaurateuren gehörte, hatte einen Vorschlag. Man
konnte ihn auch als Galgenhumor bezeichnen.
    »Oder hat jemand leer Flasch von Schultze-Nögel? Wir könnten da andere
Wein einfüllen!«
    Mit einem Mal stand Franz-Xaver hinter Julius. Schweißperlen auf der
Stirn verrieten, dass er sich beeilt hatte, hierher zu kommen.
    »Servus miteinander! – Also Maestro, dass du auch immer dein
Handy aushast, wenn’s mal was Wichtiges gibt!«
    »Was kann es denn so Wichtiges geben, dass du es nicht alleine
hinbekommst?« Julius war nicht in der Laune für weitere schlechte Nachrichten.
    »Es geht um Siggis Mörder, glaub ich.«
    Alle starrten ihn an. Julius stand auf und ging zwei Schritte mit
Franz-Xaver nach hinten.
    »Hat die Polizei ihn?«
    »Schmarren, wo denkst hin! Markus Brück war bei uns und wollt ganz
dringend mit dir reden. War ganz aufgeregt. Du sollst stante pede zu ihm ins
Weingut kommen!«
    Julius ging im Geist seinen Tagesplan durch. »Ich muss gleich noch
mal zur Metzgerei, aber danach fahr ich zu ihm. Kannst du ihm das sagen?«
    »Sehr wohl, wie der gnäd’ge Herr wünschen, wenn’s nur genehm is!«
Mit einem übertriebenen Diener verließ Franz-Xaver das Kaminzimmer.
    »Und, was gibt es?«, erkundigte sich Bassewitz.
    »Wahrscheinlich nichts. Mein Wiener Freund hat mal wieder maßlos
dick aufgetragen. Die Österreicher halt!«
    Es war nicht, dass er der Runde in dieser Sache kein Vertrauen
entgegenbrachte. Julius redete nur nicht gern über ungelegte Eier. Falls er
herausfinden würde, wer Siggi auf dem Gewissen hatte, würden sie es sofort nach
der Sippe erfahren. Aber jetzt wollte er einfach nur nett beisammensitzen und
über Essen reden. Denn das war das Zweitbeste, was man mit Essen machen konnte.
    Julius war nur zum »Hohenzollern« hochgefahren, um dem
dortigen Koch einen Gefallen zu tun. Schmetterlingssteaks und Lammnüsschen, die
er vom Metzger zu ihm brachte. Auf dem Weg zurück zum Wagen sah er ihn. Da
stand er, mit einem großen Fernglas und einer Kamera um den Hals, ein Objektiv
wie ein Heizungsrohr. Der Mann mit den roten Socken. Schon wieder. Genoss
anscheinend den Blick auf

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