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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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gut. Und hier saß man auch gut. In der rustikalen Atmosphäre
wurden keine Haltungsnoten für die Gäste vergeben. Auch gepflegte Kleidung war
keine Voraussetzung, um einen Platz zu ergattern. Der »Hofgarten«, die
Gutsschänke des Schultze-Nögelschen Weinguts, in Dernau von einem Verwandten
betrieben, war ein weiterer kulinarischer Arm der Sippe. Julius war gern
gesehener Gast, und das nicht nur, weil er ab und an eines seiner kleinen
Kochgeheimnisse verriet. Heute war er nicht für ein Schwätzchen hier, sondern um
zu ermitteln. Julius spürte, während er mit der Hand gedankenverloren über die
grobe Maserung des Tisches fuhr, wie ihn langsam das Fieber packte. Wie er
begann, es persönlich zu nehmen. Als wolle sich der Mörder ihm entziehen und nicht dem Arm des Gesetzes. Er hatte keine Augen für die schöne
Fassade des Gasthauses gehabt, keinen Blick für das in Brauntönen gehaltene
Fachwerk der ersten Etage, keinen für die genau gegenüberliegende Pfarrkirche
aus dem 18. Jahrhundert.
Die Bachstraße 26 war heute nur Ort einer
Investigation – und natürlich der Platz, an dem er hoffentlich bald einen
famosen Rheinischen Sauerbraten serviert bekam. Julius hatte den Sitzplatz
strategisch gewählt. Er würde es sehen, wenn sein Gesprächspartner kam. Das
Fenster bot einen Panoramablick auf die Straße. Darunter schlief Moritz, Siggis
Cockerspaniel. Der Hund hatte ihn noch nicht einmal begrüßt. Er war immer noch
trübsinnig über den Tod seines Herrn. Wahre Nibelungentreue, dachte Julius. So
sehr er den Hund dafür bewunderte, so sehr tat er ihm Leid, wie er
daniedergestreckt auf dem Boden lag. Das war wahrlich kein Hundeleben.
    Vorm Fenster erschien ein Wagen.
    Er sah aus wie jeder andere. Ein dunkelblauer VW Passat Kombi. Julius erkannte den Eigentümer am
Heck, das übersät war mit Aufklebern: Fußball, Bowling, Bogenschießen, Golf,
selbst Boccia und Segelfliegen – Hans-Hubert Rude war überall mit dabei.
Weniger, wie Julius wusste, weil es ihm Spaß machte, sondern um Kontakte zu
pflegen. Da Hans-Hubert eine zurückhaltende Natur war, zeigte dieser Einsatz
aber nicht den gewünschten Erfolg. Der »Bahnhof« lief immer noch unter seinen
Möglichkeiten. Als Hans-Hubert durch die Eingangstür trat, kam plötzlich Leben
in den Hund, und er begrüßte den Neuankömmling freudig schwanzwedelnd.
    »Ja, ist ja gut! Schön, dich mal wieder zu sehen, alter Junge.«
    »Bei mir hat er sich nicht gerührt«, beschwerte sich Julius.
    »Du bringst ihm wahrscheinlich auch kein Leckerli aus der Küche
mit.«
    Wohl zu selten, dachte Julius. »Setz dich! Ich hab dir einen
Sauerbraten mitbestellt. War dir doch recht?«
    »Ja, gerne. Aber ich hab nicht viel Zeit. Ich muss das diesjährige
Silvesterprogramm aufstellen, sonst krieg ich keine ordentlichen Kräfte mehr.
Man muss jedes Jahr früher damit anfangen! Und diesmal soll mein ›Bahnhof‹ die Topadresse
dafür sein, weißt du.«
    Julius nickte zustimmend. »Das wird schon. Ich kenn keinen, der sich
im Tal so müht wie du.«
    Ein unsicheres Lächeln erschien auf Hans-Huberts Gesicht. »Danke
dir. Dein Wort in Gottes Ohr!«
    Ein frommer Wunsch, dachte Julius. Bei Hans-Huberts Glück würden es
bestimmt wieder andere sein, die den Rahm der Silvesterkundschaft abschöpften.
    »Dein großes Projekt mit Siggi ist jetzt wahrscheinlich erst mal auf
Eis gelegt, oder?«
    »Hab ich dir davon schon erzählt?«, fragte Hans-Hubert verwundert.
    »Nur, dass du ein Cuvée mit ihm machen wolltest, speziell für den
›Bahnhof‹. Was ganz Besonderes, eine ganz große Sache – was genau, hast du mir aber verschwiegen!«
    »Ich hab Gisela nach Siggis Tod noch nicht drauf angesprochen. Ich
möchte sie jetzt nicht mit so was belasten.«
    »Kann ich verstehen. Sag, hatte das Cuvée vielleicht was mit
Mostkonzentration zu tun?«
    Hans-Hubert wirkte beleidigt. »Nein, wirklich nicht. So was will ich
nicht im Haus haben. Ist ja auch gar nicht erlaubt! Wie kommst du auf so was?«
    »Nur eine Idee.«
    »Blöde Idee.«
    Siggi schien selbst seinen besten Freunden nicht alles anvertraut zu
haben. Julius holte tief Luft.
    »Gut. Kommen wir zum eigentlichen Grund unseres Treffens. Ich
unterstütze die Polizei zurzeit ein wenig in Sachen ›Rote Bestie‹. Ihnen fehlt
die Innensicht ins Tal. Sie halten Gisela wohl immer noch für die
Hauptverdächtige.«
    Hans-Hubert lächelte verständnislos.
    »Ich geh allem nach, was sie entlasten könnte. Und eine Spur«,
Julius musste schmunzeln ob

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