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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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gab Wichtigeres.
    »Wann kriege ich Personenschutz?«
    »Gar nicht.«
    Die beruhigende Atmosphäre der langsam vor sich hintrottenden
Kranken verlor ihre Wirkung auf Julius. Er fühlte sich nicht ernst genommen.
    »Was soll das heißen?!«
    »Glauben Sie wirklich, wir hätten für Personenschutz Personal übrig?
Sie halten sich raus, er lässt Sie in Ruhe. Punkt.«
    »Und Sie wollen nichts tun?«
    »Nein.«
    »Aber Sie werden den Brief untersuchen lassen? Da sind bestimmt
Spuren drauf.«
    »Ja, mit Sicherheit. Und ich sag Ihnen schon mal, welche: Die
Buchstaben – und das Komma! – wurden aus der Bild-Zeitung
ausgeschnitten, die wird am liebsten für so was genommen, da sind die Lettern
nämlich schön groß und bunt. Der Kleber ist handelsüblich, Uhu, vielleicht auch
ein Pritt-Stift. Das Papier ist stinknormal, hochweiß, chlorfrei gebleicht,
achtzig Gramm DIN-A 4 …«
    Julius war verdutzt.
    »… und es werden sich keine Fingerabdrücke finden. Außer meinen
natürlich und Ihren.« Sie lächelte. »So ist das nämlich immer. Aber natürlich
werd ich es durchchecken lassen. Immerhin werden die Kollegen im Labor dafür
bezahlt.«
    Sie steckte den Brief in ihre rote Umhängetasche, holte eine kleine
Apollinaris-Flasche hervor und nahm einen großen Schluck.
    »Das tat gut. Möchten Sie auch?«
    Julius schüttelte den Kopf.
    »Okay, an die Arbeit: Was glauben Sie, worauf Sie gestoßen sind,
dass plötzlich so ein Brief auftaucht? Wem sind Sie denn auf der Spur?«
    Julius’ Verdacht erhärtete sich. Der Tonfall verriet sie. Die
Koblenzer Kommissarin nahm ihn nicht ernst. Aber was blieb ihm anderes übrig,
als seinen Verdacht zu äußern? Es würde niemandem helfen, wenn er ihn für sich
behielt.
    »Herold ist die Verbindung, ohne Zweifel!«
    Von Reuschenberg blieb stehen und hielt nach einer Bank Ausschau.
Als sie eine freie ausgemacht hatte, steuerte sie darauf zu.
    »Die Verbindung ? Was meinen Sie damit?«
    »Zwischen den Opfern. Herold war der Einzige, der alle drei kannte.
Er ist das verbindende Element, er hat ein Motiv. Alles deutet darauf, dass
August für die Morde verantwortlich ist. August und seine Frau!«
    Von Reuschenberg lachte wieder. »Guter Versuch! Aber Herold war es
nicht, da bin ich mir sicher. Wir haben seine Waffen schon untersucht. Keine
Hinweise, dass sie für den Mord an Noblet gebraucht wurden. Und dass Herold
alle Opfer kannte, sagt gar nichts aus. Vielleicht gibt es ja noch jemanden,
der alle drei kannte, von dem Sie nur nichts wissen. Herold hat auch kein
Motiv, seinen Praktikanten zu ermorden. Der fehlt ihm doch jetzt an allen Ecken
und Enden. Und was soll das mit seiner Frau?«
    Julius erläuterte seine Vermutung, Christine Herold stecke gemeinsam
mit ihrem Mann drin und habe Brück auf dem Gewissen, da ihr im Gegensatz zum
Herzallerliebsten ein Alibi für den Mord fehle.
    »Das reicht nicht. Bei weitem nicht! Wenn wir alle verdächtigen
würden, die kein Alibi haben«, sie hob die Hände abwehrend hoch, »dann könnten
wir uns vor potentiellen Mördern nicht mehr retten!«
    Eine alte Frau in beigem Kostüm und Dauerwelle setzte sich zu ihnen
auf die Bank.
    »Selbst die junge Frau neben mir könnte eine blutrünstige Mörderin
sein«, spottete von Reuschenberg.
    Die so Angesprochene schien pikiert und stand wieder auf, etwas von
»Unverschämtheit! Was man sich alles gefallen lassen muss!« vor sich
hinbrummelnd.
    Von Reuschenberg war in einer merkwürdigen Laune, dachte Julius.
    »Was führt Sie eigentlich heute ins Tal?«
    »So dies und das. Ich sag Ihnen lieber nichts, zum
eigenen Schutz .«
    Von der Bank gegenüber warf ein dicker Jogginganzug-Träger Körner
auf den Weg. Die Tauben stürzten über Julius’ Kopf wie eine alttestamentarische
Plage Richtung Futter. Einer grauen, giftigen Wolke gleich landeten sie auf dem
Boden und ätzten die Körner sekundenschnell weg.
    Julius kam plötzlich eine Idee, was von Reuschenberg aus dem
Koblenzer Beamtenschlag herausgelockt haben könnte.
    »Sie haben mit der neuen Zeugin gesprochen, wegen dem angeblichen
Mordanschlag in der Steillage.«
    Nun war die Kommissarin an der Reihe, verdutzt zu sein.
»Woher …?!«
    Er erklärte es ihr. »Ich weiß, dass die anonyme Anruferin Ihnen eine
Zeugin genannt hat. Sie hat mich auch angerufen. Die blödsinnige Geschichte
passt natürlich prima in Ihre abwegige Theorie, dass es Gisela war!«
    »Die Zeugin ist glaubwürdig. Über jeden Zweifel erhaben. Und ihr
Arbeitgeber ist sogar die Unschuld

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