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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
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lächelte wie ein Haifisch, der seinem Opfer die Mordwerkzeuge
präsentierte. Kalt. Julius erkannte, dass der Pitbull hinter dem Lenkrad saß
und in hohem Tempo über die Straßen raste.
    »Du hast sie dir redlich verdient, Julius. Warte es ab. Es wird sich
alles bald klären für dich. All deine Fragen sollen beantwortet werden –
Zigarre?«
    Julius schüttelte den Kopf. Ihm war nicht danach, und in Verbindung
mit dem Fahrstil des Pitbulls würde der Rauch verheerende Auswirkungen auf
seinen Mageninhalt haben.
    »Ich bin so frei!«, sagte Bäcker gut gelaunt, nahm sich eine dicke
Tabakrolle aus dem Humidor, knipste sie ab und begann, die Spitze nahe der
Flamme seines vergoldeten Feuerzeugs entlangzuführen. Die Zigarre fing langsam
an zu glühen und zu knistern, wie ein kleines Lagerfeuer.
    »Sag mir doch bitte, was das hier soll!«, forderte Julius.
    Bäcker schüttelte den Kopf, lächelte wieder und sog genüsslich an
der Zigarre.
    »Habt ihr den Brief geschrieben?«
    »Welchen Brief?«
    »Die Warnung.«
    »Wir haben andere Methoden als Briefe.«
    Das klang nicht gut. Julius dachte in einem Moment des Größenwahns
daran, aus dem Wagen zu springen. Aber der Mercedes fuhr zu schnell, hielt auch
nicht an roten Ampeln, sondern raste darüber. Es war Julius schleierhaft, wie
der Pitbull es schaffte, keinen Unfall zu bauen. Rechterhand tauchte das
Kloster Calvarienberg auf, wenig später war zu erkennen, dass der Mercedes
durchs Hungertal fuhr. Dann ging es ab von den offiziellen Straßen, auf die
Wanderwege, durch den Wald, alle Schranken waren geöffnet. Diese Fahrt war bis
ins Letzte geplant. Plötzlich wurde der Wagen langsamer, fuhr fast behäbig an
der einsam gelegenen Antoniuskapelle vorbei. Kein Mensch war unterwegs.
Vielleicht war auch dies vorbereitet worden, vielleicht hatte die Bruderschaft
alle Wege gesperrt, weil ihr Ordensmeister mit Julius allein sein wollte.
    Plus den Pitbull.
    Während der Fahrt war die Nacht hereingebrochen. Der Ahrweiler
Stadtwald wirkte nun undurchdringlich, wie aus einem Märchen, in dem sich
Kinder verliefen und Hexen Häuser aus Nürnberger Gebäckspezialitäten bauten. Es
war unheimlich.
    Der Wagen hielt. Julius wusste nicht, warum. Dieses Stück Weg war
wie alle zuvor. Der Pitbull stieg aus und öffnete Dr. Bäcker die Tür, dann
Julius.
    Sie gingen ein paar Schritte. Wortlos. Der Pitbull lief voraus,
sprang auch in die angrenzenden Waldstücke, sah sich um. Niemand. Die Spitze
von Bäckers Zigarre glühte wie die Nase von Rudolf dem Rentier. Aber Julius war
gar nicht weihnachtlich zumute. Er hatte Angst. Noch mehr, seit er beim
Aussteigen gesehen hatte, dass der Pitbull eine Beule unter der linken Schulter
hatte. Eine Beule von der Größe einer Pistole.
    Bäcker blieb stehen. »Da wären wir!« Er breitete die Arme aus. »Ich
bin immer wieder gerne hier!« An den Pitbull gewandt fügte er hinzu: »Bereite
alles vor.«
    Julius rannte los und schrie. Brüllte um Hilfe. Stürzte sich in den
Wald. Er kam nicht weit. Der Pitbull brachte ihn zu Fall, zog ihn hoch und
schlug ihm in die Magengrube.
    »Entschuldigung, Dr. Bäcker. Ein Reflex«, rief er seinem Herrchen
zu.
    Julius wurde zurückgezerrt, den linken Arm auf dem Rücken verdreht.
Ein steter Schmerz in der Schulter.
    »Du machst es dir selber schwer, Julius. Wir wollen doch nur etwas
klarstellen.«
    Der Pitbull ließ los, ging zurück zum Wagen und holte riesige
Maglites aus dem Kofferraum, die er an verschiedenen Stellen auf den Boden
legte. Julius konnte nun erkennen, dass es sich um fünf Wege handelte, die
sternförmig auf ein dunkles Kreuz zuliefen. Das Schwarze Kreuz. Es ragte
bedrohlich aus einem Haufen Steine hervor. Julius musste die Inschrift nicht
lesen, um zu wissen, was darauf stand. Nach mehr als drei Jahrhunderten kündete
das alte Basaltlavakreuz immer noch von einem Todesfall in Heckenbach im Sommer
1682: »Stephanvs Mohr aus H.Bach TOD «. Was sollte das alles? Was hatte er bloß getan,
dass Bäcker ihn hierher schleppte?
    »Dieser Ort atmet Historie, nicht wahr, Julius?«
    »Die Historie eines Todes.«
    »Die auch, die auch …« Bäcker legte einen Arm um ihn. »Du weißt
bestimmt, dass die Weinbruderschaft alt ist. Sehr alt.«
    Natürlich wusste Julius das, schließlich trug sie ihr Alter im
Namen: »Ahrtaler Weinbruderschaft von 1682  A.D. « – Die Übereinstimmung war ihm nie
aufgefallen! Bäcker schien Julius’ verblüffter Gesichtsausdruck zu gefallen,
denn er fuhr nickend fort.
    »Es ist

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