Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Henn
Vom Netzwerk:
nicht nötig, dir zu erzählen, warum die Ordensväter sich
damals zusammenfanden. Du bist nicht in der Position, das zu erfahren. Nur so
viel: Es waren fünf Männer, die sich trafen. Sie kamen auf den fünf Wegen
hierher gewandert, um die Bruderschaft zu gründen. Eine Vereinigung ehrbarer
Männer, die sich um das Wohl des Tales kümmert. Und so ist es seitdem.«
    Julius wusste nicht, was der Vortrag sollte. Wenn Bäcker einen
Schlussstrich ziehen wollte, dann konnte er ihm wenigstens das Palaver
ersparen. Doch der machte weiter, nur bedeutend bedrohlicher.
    »Julius, ich muss dir sagen, dass du nichts begriffen hast. Nichts
von der langen Geschichte der Bruderschaft, nichts über die Unantastbarkeit
unserer Vereinigung. Der Einzelne zählt keinen Pfifferling, nur das Ganze ist
wichtig.«
    Der Pitbull hatte neben dem Kreuz Aufstellung bezogen und blickte
unruhig in alle Richtungen, während Bäcker mit seinem Sermon fortfuhr.
    »Das oberste Gebot ist, die Bruderschaft zu schützen. Du hast sehr
viele Fragen gestellt nach deiner Initiation. Fragen nach Siggi, nach Markus,
nach dem Franzosen und nach dem Fass. Du hast Unruhe in die Vereinigung
gebracht. Du musst nicht glauben, wir wüssten nicht, wohin deine Fragen zielen.
Du verdächtigst uns, verdächtigst mich, einer grauenhaften Tat. Die Antwort,
die ich dir in den Thermen gegeben habe, hätte dir genügen sollen. Aber du musstest
ja weiterschnüffeln. Und dich mit deinen Ermittlungen in der Presse groß tun.
Was hätte da demnächst gestanden? Weinbruderschaft in Mordkomplott
verwickelt – vom kulinarischen Detektiv enthüllt?!« Er spuckte auf den
Boden. »Das ist nicht die feine Art, Julius. Beileibe nicht.«
    Julius sagte kein Wort. Bäcker würde eh nichts gelten lassen. Denn
Bäcker hielt Gericht.
    »Wir haben dich hierher gebracht, damit du, an den Wurzeln der
Bruderschaft stehend, ihr Ausmaß begreifst. Ihre Größe. Ihre Stärke. Die Bruderschaft
ist mächtiger als wir, Julius, viel mächtiger. Komm mit!«
    Er führte Julius zu dem dunklen Steinkreuz, legte seine Hand darauf
und bedeutete ihm, dasselbe zu tun.
    »Hier haben sie sich geschworen, das Tal, die Weinbruderschaft und die Weinbrüder zu schützen. Ich möchte, dass du das
verstehst, Julius. Wir würden niemals und unter keinen Umständen einen der
Unseren töten.«
    Aber Siggi, dachte Julius, war keiner davon.
    »Wir wollen, genau wie die Polizei, genau wie du, den Mörder von
Markus finden. Auch den des Franzosen und selbst Siggis. Obwohl wir unsere
Probleme mit ihm hatten. Die Morde haben dem Tal geschadet, es in ein falsches
Licht gerückt. Weniger Touristen werden deshalb kommen. Das trifft uns alle. Du
glaubst, wir hätten das Fass beschriftet. Und damit hast du Recht. Wir haben
ein Exempel an Siggi statuiert, und das Fass war ein Teil davon. Markus Brück,
der dafür zuständig war, hat uns zudem noch die letzten Flaschen von Siggis
Versteigerungswein gebracht. Mit dem wollte er den IHK -Kammerpreis
gewinnen. Da haben wir ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt
lagern sie in meinem Keller – was kann sich ein Wein mehr wünschen?«
    »Du weißt, dass ich der IHK vier Flaschen von dem Wein zur Verfügung gestellt habe?«, fragte Julius.
    »Ja. Und wäre Siggi nicht gestorben, hättest du deswegen Ärger
bekommen. Jetzt ist das egal.«
    »Wusste Herold von dem Exempel?«
    Bäcker lächelte, ging aber nicht darauf ein. »Das Exempel ist ein
typisches Beispiel, wie der Hase bei uns läuft. Markus wollte zuerst nicht. Hatte
kalte Füße. Wollte nichts gegen seinen Chef unternehmen. Aber er musste. Die
Interessen der Bruderschaft stehen über denen der Mitglieder.«
    Julius dachte an den Zettel, den Brück ihm zugespielt hatte. Mit dem
Hinweis auf den Viaduktpfeiler im Adenbachtal. Kein Wunder, dass er ihn auf die
Spur der Weinbrüder bringen wollte. Er hatte ein schlechtes Gewissen, wollte
ihnen einen Dämpfer verpassen, ohne selbst in Verdacht zu geraten.
    Der Ordensmeister fuhr fort.
    »Ich sag dir auch den Grund für die Aktion. Siggi trieb ein falsches
Spiel. Er hatte eine Anlage für Mostkonzentration. Und er hat sie benutzt. Wenn
das rausgekommen wäre, hätte dies für alle Winzer im Tal große Einbußen
bedeutet. Der gute Ruf wäre dahin gewesen, der gute Ruf des ganzen Anbaugebiets!«
    Bäcker strich sich die fettigen Haare aus dem Gesicht. »So viel zu
unserer Strafaktion. Niemand hätte davon erfahren, wenn nicht der Mord gewesen
wäre. Vielleicht erinnerst du dich:

Weitere Kostenlose Bücher