In Vino Veritas
Schultze-Nögel, der ist ja
wohl in der entsprechenden Maschine zu Tode gekommen?«
Gisela nickte und schob das Glas Wein von sich.
In der Küche bereitete Julius den nächsten Gang vor. Der erste hatte
den Mörder nur leicht irritieren sollen. Zwar gab es sachte Andeutungen, aber
er wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. Der nächste Gang war von anderem
Kaliber. Julius setzte die Lachsstücke formschön in die Mitte der Teller. Der
Täter würde nun die ersten Vorahnungen bekommen. Den endgültigen Schlag würde
er ihm später versetzen.
2. Kostbarkeit:
Lachs auf Sauerbratenart an Labskaus mit Kaviarhaube
»So etwas habe ich ja noch nie gegessen«, meinte Niemeier
entzückt zu seiner gottergebenen Tischnachbarin. »Ist das eine lokale
Spezialität?«
»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Erika Salbach. »Ich esse das
auch zum ersten Mal.«
Franz-Xaver baute sich hinter Gisela auf, um das Gericht zu
erklären: »Als zweiten Gang hammer echten Ahrlachs …«
»Das wüsste ich aber!«, rief Herold. »Dann würde ich euch gehörig
aufs Dach steigen!«
Franz-Xaver lachte ein höfliches Kellnerlachen. »Nur ein kleiner
Scherz meinerseits. Es handelt sich um Irischen Wildlachs auf Sauerbratenart,
an Labskaus mit Kaviarhaube.«
»Was ist Labskaus?«, fragte Stressner in einem Tonfall, der besagte,
dass man dies nicht wissen musste, um Karriere zu machen.
»Ein Seemannsgericht, des vor allem aus gepökeltem Rindfleisch,
Kartoffeln und Roter Bete besteht. Der Name kommt aus dem Seemannsenglischen.
›Lobs‹ heißt Haudegen, und ›course‹ bedeutet Essens-Gang. Über des norwegische
Wort Labskaus, was für gesalzenen Kabeljau mit Kartoffeln steht, kam der
Begriff dann nach Norddeutschland.«
»Von dem Bisschen wird aber kein Matrose satt!«, rief Bassewitz.
»In der Tat ist es nur eine kleine Portion Labskaus – für kleine Seeleute!«, witzelte Franz-Xaver.
»Dürfen wir jetzt endlich essen, oder erzählen Sie uns noch die
Geschichte jedes einzelnen Kaviarkorns?«, fragte Prieß leicht genervt.
»Nur, wenn Sie’s wünschen!«, erwiderte Franz-Xaver. Er wollte sich
zurückziehen, wurde jedoch von Stressner zu sich gebeten.
»Sagen Sie Ihrem Chef, ich hätte den Wink mit unserem Bachemer
Karlskopf verstanden«, er kniepte ihm verschwörerisch zu. »Der ideale Begleiter
zu diesem Gang – ich habe auch nichts anderes vom besten Pferd im Stall
erwartet. Holen Sie noch eine Flasche! Danke.«
Franz-Xaver lächelte äußerlich und ballte innerlich die Faust.
Stressner schaffte es noch nicht einmal, »Bitte« zu sagen! Auf dem Weg zur
Küche bat ihn dann auch noch ein Pärchen, das gesehen hatte, was in den Blauen
Salon getragen wurde, um dasselbe Menü. Franz-Xaver war nicht in der Laune für
Extrawürste. Er war viel zu angespannt. Julius sah das Ganze pragmatisch, in
den Töpfen und Pfannen war genug für zwei weitere Mäuler. Als die Restaurantbrigade
sich mit den Tellern auf den Weg in den Blauen Salon machte, folgte er ihnen,
blieb jedoch vor dem Eingang stehen. So konnte ihn niemand im Inneren sehen, er
jedoch hören, was vor sich ging. Der Täter bekam nun das Mordmotiv auf dem
Teller. Und es gab keinen Zweifel, dass er es erkennen würde.
3. Kostbarkeit:
Salat von Ahrtaler Herbsttrompeten mit gebratenem Kaninchen an Rosmarinspieß und Wingertsknorzen
Nachdem die Kellner den dritten Gang auf den Platztellern
serviert hatten, stellten sich Franz-Xaver und François nebeneinander. Der
Ranghöhere begann und wies auf die Besonderheiten der Speise hin.
»Die Kaninchen sind aus dem Tal, von tüchtigen Jägern erlegt. Wie
gut, dass diese ihre Waffen stets bei sich tragen, so dass sie immer schießen können,
wenn einer der kleinen Hoppler auftaucht. Ich denk, wir sollten alle auf die
Jäger des Tals anstoßen!«
So geschah es.
»Am rechten Rand Ihres Tellers sehen Sie einen Wingertsknorzen. Eine
Spezialität, die Herr Eichendorff in einer Straußwirtschaft im Weinanbaugebiet
Nahe, genauer in Münster-Sarmsheim beim Weingut Göttelmann, kennen gelernt hat.
Es handelt sich dabei um ein herzhaftes Gebäck in Form einer der natürlichen
Verdickungen, die sich am Stamm von Rebstöcken finden.«
Alle besahen sich das schrumpelige Brotstück.
Jetzt war François an der Reihe.
»Der begleitende Wein ist einer der wahrhaftigen Schätze unseres an
Schätzen wahrhaftig nicht armen Weinkellers«, er hob ein wenig das Kinn,
sichtlich stolz auf das kleine Wortspiel, »ein 90er La Tache, eine
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