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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas
Autoren: Carsten Henn
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der
berühmtesten Lagen des Burgund, die sich zudem in Alleinbesitz befindet. Damit
ist dieser Wein nicht ein La Tache, sondern der La Tache. Verzeihen Sie mir meinen Enthusiasmus!«
    Seine Miene zeigte, dass er sich für diesen keineswegs schämte.
Stressner lächelte, diese Attitüde war ihm wohl vertraut.
    »Das ist ja alles schön und gut«, brummte Bassewitz, »aber wann
bekommen wir endlich den Chefkoch zu sehen?«
    »Er würde schon jetzt gerne zu Ihnen kommen, aber die Arbeit in der
Küche wird es nicht vor dem zweiten Dessert erlauben«, erklärte François.
    Franz-Xaver verschwand leise in Richtung Küche, um Rapport zu
erstatten.
    »Und?«, fragte Julius. »Sind schon Anzeichen von Nervosität
festzustellen?«
    »Nada. Es würd mir übrigens wirklich helfen, wenn du mir sagen
tätst, wen ich im Aug behalten muss!«
    »Das kann ich nicht. Dann würdest du dich der Person gegenüber
anders verhalten, und sie würde den Braten riechen. Das ist mir zu riskant.«
Julius rührte gedankenverloren in einer Sauce. »Ich kann nicht verstehen, dass
noch keiner reagiert hat! Ich hatte gehofft, dass nach diesem Gang schon jemand
aufsteht und geht.«
    »Tja, verkocht!«, spöttelte Franz-Xaver.
    4. Kostbarkeit:

Riso-Eis in Grafschafter-Goldrüben-Schaum
    »Das Eis is in Form eines Golfballs. Als kleine Hommage an
die anwesenden Golfspieler«, erläuterte Franz-Xaver.
    »Wer spielt denn außer mir noch Golf?«, fragte Zimmermann.
    Niemand meldete sich.
    »Na, dann danken Sie dem Chef mal ganz herzlich von mir! Das sehe
ich als besondere Ehre an!«
    Franz-Xaver sondierte die Gesichter. Niemand war verstummt oder
übertrieben redselig.
    Antoine Carême stupste mit dem Dessertlöffel den frostigen Golfball
an.
    »Was ist denn den Riso-Eis genau, schmeckt nach …«
    »… Reis«, ergänzte Franz-Xaver. »Und Milch und Honig. Es
handelt sich um Reis-Eis, mit gekochten Reiskörnern darin. Eine kulinarische
Besonderheit, die Herr Eichendorff bei seinem Romaufenthalt letztes Jahr
erstmalig probiert hat. In der berühmten Eisdiele in der Via Uffici del
Vicario, um genau zu sein.«
    Franz-Xaver strich sich geistesabwesend über seinen nicht
vorhandenen Bart.
    »Darf ich was zum Wein sagen?«, fragte Herold. »Schließlich ist er
von mir!«
    François nickte gönnerhaft.
    »Ein Spätburgunder-Eiswein vom Altenahrer Eck. Natürlich weiß
gekeltert, geht ja nicht anders, denn die Trauben müssen im gefrorenen Zustand
gepresst werden. Aus dem großen Eisweinjahrgang 1998. Ein fantastischer,
fruchtstarker Wein, fast cremig auf der Zunge und mit einer tollen Säure, die
den Tropfen frisch hält, ja, sagen wir es ruhig, die den Wein auf der Zunge
explodieren lässt. Prost!«
    Diesmal war es Bäcker, der Franz-Xaver zu sich winkte. »Wann kommt
eigentlich die Presse? Ich muss das wissen, damit ich vorher nicht zu viel
trinke. Sie wissen ja, da wird dann schnell geredet.«
    Franz-Xaver beugte sich tiefer, zu Bäckers Ohr. »Die Presse hat
leider abgesagt. Es gab wohl einen schweren Unfall auf der A61, und da mussten’s alle hin.«
    »So? Hab ich gar nichts von mitbekommen.«
    In der Küche herrschte große Anspannung. Denn der Chef hatte aufgehört
zu kochen. Julius war nicht mehr imstande, sich auf Töpfe und Pfannen zu
konzentrieren. Er konnte nur noch an eine Person im Blauen Salon denken. Nach
diesem Gang, nach diesem Eis, musste dem Mörder klar sein, dass Julius Bescheid
wusste.
    5. Kostbarkeit:

Marzipan-Baumkuchen in Blutorangensauce
    Den letzten Gang brachte Julius selbst herein, und der
Jubel war groß. Nur Gisela wirkte merkwürdig unbeteiligt. Alle anderen
gratulierten ihm zu seinem Stern. Julius kam zum ersten Mal der Gedanke, wie
peinlich es werden würde, wenn sein Plan nicht funktionierte, er den Mörder
nicht stellte und alle erfuhren, dass er gar keinen Stern bekommen hatte. Das
würde ihm der ein oder andere übel nehmen. Zuvorderst Dr. Bäcker. Das würde
dann wohl eine zweite Geldspende bedeuten.
    »Das ist aber ein kleiner Baumkuchen!«, maulte Prieß. »Musst du
sparen, Julius?«
    »Es sollte auch eher ein Baumstock sein – oder ein Stöckchen.«
    Die Gespräche erstarben, und plötzlich lag Stille über der Szene.
    Eine Stille, die Ärger in sich trug.
    »Ich weiß nicht, ob du das extra gemacht hast, Julius«, sagte Gisela
mit zitternder Stimme, »aber ich finde das alles sehr geschmacklos. So etwas
hätte ich nicht von dir gedacht!«
    Alle Blicke wandten sich ihr zu.
    »Du weißt genauso gut wie ich,
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