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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas
Autoren: Carsten Henn
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das noch. Bei mir kam es auch ganz überraschend.«
Er lachte trocken, als hätte er Staub im Mund.
    »Dann dachte ich, die Weinbruderschaft steckt dahinter.«
    »Der traut man alles zu, oder?«
    »Ich fürchte, zu Recht.«
    Julius war überrascht, wie unbefangen er mit dem Täter redete. Es
fühlte sich an wie ein normales Gespräch unter Freunden. Wo es doch alles
andere war. Er fuhr ruhig fort mit der Schilderung seiner Ermittlungen.
    »Aber mit den Morden hatten die Brüder nichts zu tun. Sie hatten
zwar ein Motiv: das Ausschalten eines Risikofaktors für die Weinwirtschaft und
den Tourismus des Tals. Wenn die Sache mit Siggis Mostkonzentration
rausgekommen wäre, hätte das einen Imageschaden biblischen Ausmaßes bedeutet.
Aber nach einem Mord eine so dumme Spur zu hinterlassen, wie ›Verräter‹ auf ein
Fass zu schreiben? Niemals. Sie hätten andere Methoden gefunden, alle wissen zu
lassen, wer dahinter steckte.«
    Etwas bewegte sich auf Hüfthöhe des Mörders.
    »Eigentlich hab ich nach einiger Zeit jeden verdächtigt. Selbst den
Niemeier, das ist der kleine Mann mit der großen Brille, ein pensionierter
Oberstudienrat aus Brühl.«
    »Der sieht doch aus, als könne er keiner Fliege was zuleide tun.«
    »Du siehst auch nicht aus wie ein dreifacher Mörder.«
    »Mit dem Hund ein vierfacher.«
    »Ich hatte gedacht, du hättest schon aufgehört, deine Opfer zu
zählen …«
    Keine Reaktion. Langsam kroch die Anspannung in Julius. Langsam
schien sein Körper zu begreifen, dass dies kein normales
Gespräch unter Freunden war. Sein Sprachfluss wurde stockender.
    »Niemeier schlich überall herum, wollte einen spektakulären Fund aus
der Römerzeit machen. Dadurch verhielt er sich merkwürdig.«
    »Das sollte man vermeiden.«
    »So wie du, Hans-Hubert.«
    »Danke für die Blumen, aber die sind unnötig. Schließlich hast du’s
ja rausgefunden.«
    »Aber erst spät. Ich hatte sogar noch einen Verdacht. Dank dir. Die
falsche Spur zu Antoine und Tommy. Von wegen, die Restaurateure hätten gute
Gründe, Siggi abzuservieren. Ich hatte zwar keine Zeit, der Sache nachzugehen,
aber ich bin drauf reingefallen.«
    »Gute Gründe hätten die beiden tatsächlich gehabt, Siggi
umzubringen. Wenn der den Weinhahn noch länger zugelassen hätte, wären sie
eingegangen. Dass sich die beiden heimlich trafen, passte da gut ins Bild. Ich
habe davon gewusst, weil Antoine zuerst mir eine Kooperation angeboten hat.
Sein Laden läuft nicht so gut. Aber ich habe abgelehnt. Da ging er zu Tommy.«
    Hans-Hubert trat aus dem Schatten, eine Pistole in der Hand.
    »Wo hast du die denn her?«, fragte Julius.
    »Das kann dir doch egal sein. Das ist eine Ruger 22  WMR ,
die hab ich mir vor einiger Zeit gekauft, für den Fall, dass ich bei der Jagd
mal einen Fangschuss setzen muss. Praktischerweise direkt mit Schalldämpfer.«
    Er trat vor Julius, die Ruger im Anschlag. »Arme hoch, und, du weißt
schon, keine falsche Bewegung!«
    Er durchsuchte Julius und beförderte zwei metallische Gegenstände
aus den Hosentaschen. »Soso, ein Diktiergerät. Das schalten wir mal schön ab
und nehmen die Kassette raus. Die behalte ich, als Andenken. Und du wolltest dich
tatsächlich mit einem Messer gegen mich verteidigen. Also, Julius …«
    »Ich bin halt Koch, das ist die Waffe eines Kochs.«
    »Ich korrigiere: Das war die Waffe eines
Kochs. Apropos Koch: Applaus für das Essen. Ich hätte nie gedacht, dass vier
Morde so gut schmecken können.«
    Das Menü war gelungen. Der Plan nicht.
    Er war nackt.
    Ohne Chance auf handfeste Beweise. Ohne Chance, sich wehren zu
können. Und sein Gegenüber hatte nichts zu verlieren. Ob vier oder fünf Morde,
die Höchststrafe hatte er längst erreicht. Julius konnte nicht fassen, dass er
kein Sicherheitsnetz aufgespannt hatte. Es wäre so einfach gewesen, jemanden
vom Personal mit ins Boot zu holen. Wenigstens Franz-Xaver. Aber weil er
niemanden in Gefahr bringen wollte, hatte er sich selbst in Gefahr gebracht.
Jetzt war es zu spät. Die Belegschaft hatte keine Ahnung vom Treffen im Hof. In
der ganzen Aufregung hatte Julius das nicht bedacht.
    Es konnte ihn sein Leben kosten.
    Es hieß Zeit rausschlagen. Julius kämpfte gegen die Angst an.
    »Danke für das Kompliment, willst du wissen, wie ich es zubereitet
habe?«
    »Nein, ich will endlich wissen, wie du drauf gekommen bist, dass ich hinter den Morden stecke!«
    »Durch Harry Hinckeldeyn.«
    »Wovon wusste der schon?«
    »Nur von Siggis Termin in seiner Kanzlei. Und,
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