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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas
Autoren: Carsten Henn
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Glückwunsch, toll gemacht!«
    Hans-Hubert drückte die Pistole an Julius’ Stirn. »Veräppel mich
nicht, das kann ich nicht leiden, konnte ich noch nie leiden.«
    »Und genau deswegen ist es dir so oft passiert!«
    Hans-Hubert drückte fester zu. Das kalte Metall fühlte sich an wie
eine eisige Klinge. »Erzähl weiter, ich finde es grade spannend. Aber mach
schnell, sonst muss ich auf das Ende leider verzichten!«
    Julius schluckte, aber es gab nichts, was er schlucken konnte. Sein
Mund war trocken, die Zunge strich wie Schmirgelpapier über den Gaumen.
    »Also, du hast mit Siggi eine Bootstour ins Burgund gemacht –
deswegen der Labskaus für kleine Seeleute. Ihr wolltet dort Rebstöcke von einem
der berühmtesten Weingüter der Welt klauen. Als Hinweis auf die Rebstöcke hab
ich übrigens die Wingertsknorzen serviert.«
    »Hab ich gemerkt.«
    »Mit denen sollte Siggi für dein Restaurant einen Wein machen, wie
es ihn in Deutschland noch nie gab. Doch dann lief etwas schief. Erster Mord:
Du triffst zufällig den französischen Praktikanten von August, und er erzählt
dir, von wo er kommt, nämlich aus Dijon, wie Christine mir mal gesagt hat, also
aus dem Burgund. Der Franzose erzählt vielleicht auch vom Rebendiebstahl,
vielleicht hat er dich sogar erkannt.«
    »Hat er. Wir waren damals auch zur Weinprobe bei Romanée-Conti, und er
hat dort gearbeitet. Er hat sich richtig gefreut, mich wiederzusehen, und dann
nur noch von dem Diebstahl erzählt, was für ein Skandal das in Frankreich wäre.
Er hat einfach nicht mehr aufgehört, hat gesagt, die Täter müssten hart
bestraft werden, und im Burgund hätten sie alles in Bewegung gesetzt, um sie
ausfindig zu machen. Das seien ja nicht nur einfache Rebstöcke gewesen, sondern
französische Kulturdenkmäler. Er hat immer weiter geredet, immer weiter, und
ich habe es so mit der Angst bekommen, ich bin richtig panisch geworden, ich
dachte nur, der muss aufhören, irgendwann kommt er drauf, irgendwann sieht er
die Stöcke, und dann bist du dran, dann ist alles aus …«
    Hans-Hubert geriet außer Atem. Als er das bemerkte, straffte er
seinen Körper wie ein Sakko und fuhr ruhiger fort. »Geschickt übrigens mit dem
La Tache. Im Alleinbesitz von Romanée-Conti. Das war wirklich ein Wink mit dem
Zaunpfahl.«
    Julius versuchte, einen Funken des Zweifels bei Rude auszumachen,
einen Funken, den er zum Glimmen bringen konnte. Aber das Gesicht wirkte nur
matt.
    »Hoffentlich habe ich dich voll getroffen. – Du bekommst es
also mit der Angst zu tun, fährst mit dem Franzosen in ein entlegenes
Waldstück, unter irgendeinem Vorwand …«
    »Ich hab ihm erzählt, von da oben hätte man eine tolle Aussicht, das
müsse er sich unbedingt anschauen.«
    »Und dann erschießt du ihn. Und die tolle Aussicht ist, dass er die
Radieschen von unten betrachten kann. Zweiter Mord: Du fährst zu Siggi und
erzählst ihm von der Sache. Schließlich hängt er mit drin. Schließlich habt ihr
die Rebstöcke zusammen geklaut. Aber Siggi reagiert nicht so, wie du dir das
gewünscht hast.«
    »Das ist schön ausgedrückt. Ich wollte nur ein Alibi von ihm, und er
hat gesagt, da wolle er nicht mitmachen, er würde mich anzeigen. Mir blieb gar
nichts anderes übrig. Ich war so wütend auf ihn, Julius, verstehst du? Wir
waren doch Freunde, richtige Freunde. Aber er wollte mich abservieren, hatte
sowieso eine negative Einstellung zu dem Projekt bekommen. Wollte die Rebstöcke
für seinen eigenen Topwein nutzen. Nicht für meinen! Hat dann auch von dem
Anwaltstermin erzählt, dass er den Vertrag, den wir über das Projekt
geschlossen haben, lösen würde. Und ich könnte nichts dagegen tun. Gar nichts.
Da hab ich ihn geschlagen. Ich wollte ihm einfach wehtun, ich wollte ihm
einfach zeigen, dass er das nicht mit mir machen kann, ich hab gar nicht weiter
drüber nachgedacht. Ich war so enttäuscht, so enttäuscht und wütend.«
    Julius konnte sich die Szene vorstellen. Wie Siggi, unfähig die
Gefühle seines Gegenübers zu erkennen, zum Tagesablauf übergehen wollte. Wie er
Hans-Hubert einfach links liegen ließ in seinem Elend.
    »Ich kann dich verstehen.«
    Hans-Hubert wurde wütend. »Nichts verstehst du! Du bist doch der geborene Gewinner! Bei Julius Eichendorff scheint doch immer die
Sonne! Bester Koch, beste Weinkarte, bester alles!«
    Er machte eine Pause. Als er weitersprach, klang er deutlich
bedrohlicher. »Erzähl weiter, kulinarischer Detektiv !«
    Also erzählte Julius weiter.
    »Du schlägst
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