In Vino Veritas
zu, mit dem Lieblingsstock des Hundes, und hievst den
bewusstlosen Siggi in den Maischebottich. Kopf nach unten. Der Pathologe wird
später feststellen, dass Siggi und der Franzose ungefähr zum selben Zeitpunkt
ermordet wurden. Dritter Mord: Du hast gedacht, Markus Brück hätte was von
deinem Streit mit Siggi mitbekommen und würde dich verraten.«
»War aber gar nicht so. Er saß zu dem Zeitpunkt längst zu Hause.
Aber als ich das von ihm erfahren habe, war es zu spät. Da wusste er zu viel.
Von mir. Es gab keinen anderen Weg mehr, als die Presse anzustellen. Das war
mir dann auch egal. Ob zwei Morde oder drei. Sonst wäre doch alles umsonst
gewesen! All meine Pläne, meine Zukunft! Ich wollte endlich sicher sein, dass
die Geschichte vorbei ist. Da hab ich gemerkt, wie kalt ich geworden bin,
Julius, kalt innen drin.«
»Was ist nur mit dir passiert, Hans-Hubert? So kann ein Mensch wie
du doch nicht leben. Du solltest dich stellen, dein Gewissen entlasten.«
»Nein.« Rudes Stimme klang brüchig. »Damit muss ich leben. Und damit
werde ich leben. Heute Abend hat das Morden ein Ende. Erzähl mir den Schluss,
alter Freund.«
Julius’ Angst war übermächtig. Er klammerte sich an jede Sekunde,
die das Ende hinauszögerte. Wenn er durch Erzählen länger lebte, dann würde er
erzählen. So lange es nur ging.
»Du planst den Mord. Erstmals planst du
einen Mord. Du nimmst einen deiner Golfbälle – du bist ja Mitglied im
Club, deswegen hast du damals auch für den Stammtisch
im Milsteinhof gebucht –, wirfst ihn unauffällig in die Presse, stellst
sie an und sagst zu Brück, dass das Gerät komisch klänge.«
»Er kommt, schaut rein, beugt sich rüber, ein Schubs genügt, hat
vorher noch versucht, mir den Golfball zuzuwerfen, dachte, alles wäre nur ein
Spaß.« Hans-Hubert lächelte verkrampft.
»Willst du wissen, wie ich darauf kam, dass nur du Markus Brück auf
dem Gewissen haben kannst?«
»Ja, Julius.«
»Nach Siggis Beerdigung hatten wir doch Stammtisch. Franz-Xaver kam
damals reingestürmt, um mir zu erzählen, dass Brück mich in der Mordsache
sprechen wollte. Franz-Xaver und ich sind zwar ein paar Schritte
zurückgegangen, um zu reden, aber du hast direkt neben mir gesessen. Wenn
überhaupt, dann konntest nur du das Gespräch hören. Deine Ohren waren
anscheinend gut genug.«
»Das waren sie immer schon.« Hans-Hubert hob die Waffe. »Julius, ich
muss langsam zurück.«
»Das mit deinem Alibi klappt niemals! Wenn in der Zwischenzeit
jemand aufs Klo musste …«
»Deine Toiletten sind mit altmodischen Schlüsseln versehen. Ich habe
einfach von außen abgeschlossen. Besetzt ist besetzt.«
Er zielte auf Julius’ Kopf.
»Franz-Xaver weiß Bescheid, er ist meine Absicherung!«
Hans-Hubert zögerte. »Glaub ich dir nicht. Aber zur Sicherheit werd
ich auch mit ihm gleich reden. Mach’s gut, alter Freund!«
»Schenk dir das!«
Julius stellte sich gerade hin. Die Augen fest auf seinen Mörder
gerichtet. Irgendwann würden die Spuren die Polizei zu Hans-Hubert führen.
Irgendwann würde jemand mehr Glück haben als er.
Und überleben.
Julius sog die Luft langsam ein, sie genießend, weil es der letzte
Atemzug war, und lauschte auf das Pochen seines Herzens. Ansonsten hörte er
nichts, nur ein klickendes Geräusch. Es klang wie das Entsichern einer Waffe.
»Es tut mir Leid, Julius …«
Hans-Hubert kam noch einen Schritt näher, den Arm gestreckt. Das
Rohr des Schalldämpfers blickte in Julius’ Augen. Der zweite Arm hob sich und
schloss sich um die Waffe.
Julius duckte sich.
Es klickte zwei weitere Male.
Julius warf sich auf den Boden, die Arme über den Kopf gekreuzt.
Hans-Hubert drehte sich um.
Kein Schuss fiel.
Keine Kugel bohrte sich durch Julius’ Körper.
Er hörte eine Stimme. Eine Stimme, die sich noch nie so gut angehört
hatte wie in diesem Moment.
»Machen Sie keine Dummheiten! Drei Waffen sind auf Sie gerichtet!«
Es war von Reuschenbergs Stimme. Julius blickte auf und sah, dass
sie und zwei Streifenpolizisten Hans-Hubert ins Visier genommen hatten.
Es passierte nichts.
Alle vier standen dort wie in Stein gemeißelt.
Dann bewegte Hans-Hubert die Hand, in der er die Waffe hielt. Er
bewegte sie so schnell, dass keiner reagierte. Er zielte in Richtung von
Reuschenberg.
Wieder klickte es.
Nur Sekundenbruchteile später war ein Knall zu hören.
Und ein Schrei.
Julius konnte nicht erkennen, was geschehen war. Konnte nicht
erkennen, wen der Schuss getroffen, wer
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