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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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aber wie durch ein Wunder konnte ich trotzdem in ihnen gehen. Und sie machten selbst aus dem schlichtesten Jeans-und-T-Shirt-Outfit etwas Besonderes. Nur ihretwegen hatte ich mir dieses türkisfarbene Kleid von Ghost gekauft, außerdem türkisfarbene Ohrhänger, ein Armband mit türkisfarbenen Glasperlen und einen türkisfarbenen Seidenschal. (Keine Sorge, ich trug nie alles auf einmal, immer nur entweder oder.) Da ich die Sandaletten ja im Augenblick jahreszeitlich bedingt nicht tragen konnte, drängte Mimi mich schon die ganze Zeit, mir mal in Ruhe Santinis Winterkollektion anzuschauen, bevor alle Schuhe in meiner Größe weg waren. Aber warum sollte ich mir neue Schuhe kaufen, wenn Karl sie nicht sehen und bewundern konnte?
    Im Rosenkäferweg gab es außer dem Schuhladen noch einen taiwanesischen Gemüsehändler, ein Reisebüro, einen Lottoladen mit kleinem Schreibwarensortiment, ein Geschäft für Kinderbekleidung, einen Bäcker und eine Apotheke, in der ich das Rezept einzulösen gedachte. Mit mir zusammen trat eine ganze Familie in den Laden, eine Mutter mit drei Kindern. Das jüngste war etwa ein Jahr alt und hatte seinen Kinderwagen vor der Tür geparkt. Es klemmte bei seiner Mutter auf der Hüfte und trug eine dieser Mützen mit Schirm und Ohrenklappen, die man unter dem Kinnzusammenbindet. Selbst das allerschönste Baby hat in so einer Mütze ein Ohrfeigengesicht, und ich argwöhnte, dass dieses Baby auch ohne Mütze schon nicht besonders niedlich war. Trotz meiner hässlichen Gedanken lächelte es mich an. Dabei fiel ihm der Schnuller aus dem Mund. Ich bückte mich, hob den Schnuller auf und reichte ihn der Mutter, die ihn sofort in ihrer Handtasche verschwinden ließ und durch einen neuen ersetzte.
    »Das passiert andauernd«, sagte sie. »Konstantin, du kleiner Herzensbrecher. Da hast du schon wieder ein Mädchen mit deinem Lächeln betört.« Sie lächelte mich gönnerhaft an. »Obwohl er normalerweise Blondinen bevorzugt.«
    Ach du liebe Güte.
    Anders als meine Schwester, die bei jedem Baby und Kleinkind sofort leuchtende Augen bekam und blödes Zeug zu säuseln begann, hatte ich Kinder auch schon vor meiner menschenfeindlichen »Alles-Idioten«-Phase nicht zwingend wunderbar gefunden. Nicht mal das Kind meines Bruders, Eliane, mochte ich besonders gern. Was eventuell daran lag, dass ich sie so selten sah (Gott sei Dank) und dass sie, wenn ich sie sah, immer entweder quengelte (»Den Keks esse ich nicht, der ist zerbrochen!«), in der Nase bohrte und ihren Popel aufaß (»Mama, die Carolin guckt mich ganz böse an«) und die Bilderbücher, die ich ihr mitbrachte, immer verächtlich in eine Ecke warf. (»Ich wollte kein Buch über eine Schildkröte, ich wollte eins über eine Prinzessin.« »Ich wollte kein Buch über eine Prinzessin, ich wollte eins über ein Kindermädchen, das zaubern kann.« »Ich wollte keins über ein Kindermädchen, ich wollte eins über eine Schildkröte.«) Warum ich so hartnäckig immer wieder mit einem neuen Bilderbuch ankam, wusste ich auch nicht. Wahrscheinlich wollte ich einfach hören, was sie diesmal wieder zu meckern hatte. Oder ich wollte als die blöde Tante, die immer Bücher schenkt, in die Familienannaleneingehen. Elianes Mutter – meine Schwägerin Susanne, genannt die Kreissäge – setzte dann gern noch eins obendrauf, indem sie sagte: »Warum hast du denn nicht das Froschkönigkissen mit Geheimfach besorgt, wie ich es dir empfohlen hatte? Du hättest Eliane und dir eine große Enttäuschung erspart.« Susanne fand ich selbstredend ebenfalls fürchterlich, aber da war ich wenigstens nicht die Einzige. Niemand in der Familie mochte Susanne besonders gern, außer meinem Bruder natürlich, der hatte sie ja auch geheiratet. »Wenn man auch nicht versteht, warum«, hatte Karl immer gesagt.
    Diese Mutter hier in der Apotheke war eine Seelenverwandte von Susanne, eine Zwillingsschwester im Geiste.
    »Marlon, ich glaube nicht, dass der Apotheker das schön findet, wenn du diese überteuerten pseudogesunden Gummibonbontütchen durcheinanderbringst«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Durcheinanderbringen« war eine sehr freundliche Umschreibung für »auf den Boden schmeißen«. Der Apotheker war mit einer anderen Kundin beschäftigt und bekam gar nicht mit, was Marlon getan hatte. Der war vielleicht fünf Jahre alt und trampelte nun versuchsweise auf einer Tüte herum.
    »Daß tnallt ja da niß!«, sagte er enttäuscht.
    Wie bitte?
    »Da muss man schon richtig feste

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