Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
draufspringen, damit das knallt«, sagte die Mutter und wandte sich an Marlons große Schwester. »Flavia, hilf Marlon, die Gummibärchen wieder ins Fach zu räumen! Sonst müssen wir die am Ende noch alle bezahlen.«
    »Ich hab die doch nicht runtergeschmissen«, sagte Flavia.
    »Fang bitte nicht wieder so an, mein liebes Fräulein! Ihr hebt jetzt sofort diese Tüten auf.« Die Frau wuchtete das Baby von der einen Hüfte auf die andere, und der eisige Blick, den sie ihrer Tochter zuwarf, streifte auch mich flüchtig. Beinahehätte ich mich ebenfalls gebückt und angefangen, die Tütchen aufzuheben. Aber nur beinahe.
    Der Apotheker hatte seine Kundin verabschiedet und schaute über den Tresen. Er war vielleicht Ende zwanzig, ein jungenhafter Typ mit kurz geschnittenen, hellbraunen Haaren und Sommersprossen auf der Nase. »Oh, was ist denn da passiert?«
    »Jetzt tun Sie doch nicht so, als sei das das erste Mal«, fauchte ihn die Mutter an. »Diese angeblich so gesunden Süßigkeiten sind doch mit voller Absicht in Reichweite der Kinder platziert, damit so etwas passiert und die Eltern gezwungen sind, diesen Mist zu kaufen.«
    Der Apotheker sah verdutzt aus. Dann fiel sein Blick auf mich, und ein Lächeln zauberte kleine Fältchen in seine Mundwinkel. »Oh, hallo!«
    Also, den fand ich jetzt süß, im Gegensatz zu dem Mützenbaby.
    »Wir waren zuerst dran!« Die Frau guckte mich böse an. »Sie brauchen gar nicht so zu gucken!«
    Mein Mann ist gestorben, du doofe Kuh. Da darf man so gucken.
    Flavia legte das aufgeplatzte Tütchen auf den Tresen. »Da hat Marlon draufgetreten.«
    »Hab iß da niß! Daß war ßon taputt.«
    »Selbstverständlich bezahle ich das«, blaffte die Frau den Apotheker an. »Genau, wie Sie das geplant haben, nicht wahr?«
    Der Apotheker sah immer noch verdutzt aus, aber er widersprach nicht, sondern fragte höflich: »Darf es denn sonst noch was sein?«
    Ich musste grinsen.
    »Kopfläuse«, schnauzte die Frau. »Die gehen wieder um, und weil gewisse Leute sich nicht an die Vorschriften haltenund fleißig für die Verbreitung der Tierchen sorgen, will ich zur Sicherheit was dagegen im Haus haben.« Dabei warf sie mir wieder einen finsteren Blick zu, als zählte sie mich zu den »gewissen Leuten«. Ich kratzte mich demonstrativ am Kopf.
    Während der Apotheker der Frau Läusemittel und Nissenkamm verkaufte, schlenderte Marlon zum Kosmetikregal hinüber. Ich hielt gespannt die Luft an, aber Marlon begnügte sich damit, mit dem Zeigefinger auf die Cremeverpackung zu schießen und »Peng, du bist tot« zu rufen. Weil Flavia derweil an ihrem Fingernagel kaute, kaufte ihre Mutter auch noch ein bitter schmeckendes Gel, das auf die Nägel geschmiert wurde, aber sie wollte sich vorher noch ganz genau die Inhaltsstoffe erklären zu lassen. Als die vier endlich den Laden verlassen hatten, sah der Apotheker erleichtert aus. Das konnte ich gut verstehen.
    Wieder schenkte er mir ein strahlendes Lächeln. »Das ist aber schön, dass du vorbeikommst.«
    »Ähm. Danke.« Ich war es gewohnt, dass die Leute mich für jünger hielten als ich war. Das lag daran, dass ich klein und zierlich gebaut war und mich nur schminkte, wenn es unbedingt sein musste. Also heute sicher nicht. Dass mein zu langer Pony mit einem Marienkäfer-Klämmerchen aus der Stirn gehalten wurde, das meine fünfjährige Nichte bei ihrem letzten Besuch bei Mimi vergessen hatte, verlieh mir sicher auch kein erwachseneres Aussehen. Ich reichte ihm das Rezept. »Haben Sie das vorrätig?«
    Der Mann nahm das Papier entgegen, warf aber keinen Blick darauf. »Ich hatte schon überlegt, ob ich mal nachfrage, wie es dir geht, aber dann dachte ich, es könnte dir vielleicht peinlich sein. Siehst aber gut aus, nur ein bisschen blass.«
    »Wie bitte?« Flirtete der etwa mit mir? Wenn ja, war das aber eine sehr seltsame Art des Flirts.
    »Na ja, und ehrlich gesagt war es mir selber ein bisschen peinlich«, fuhr er fort. »Ich hätte ruhig ein bisschen netter zu dir sein können. Aber das ist irgendwie so ein Reizthema bei mir, Jugendliche und Alkohol, weißt du?«
    Verwirrt murmelte ich: »Ja, für wen nicht …«, dann stockte ich. Oh nein! Der Apotheker war der Typ von neulich, der mich nach meinem Experiment mit dem Wein vom Bürgersteig aufgeklaubt hatte. Ich hatte mir sein Gesicht nicht gemerkt. Er sich aber leider meins. Ich kämpfte ein paar Sekunden mit mir, ob ich »Ah, ich verstehe! Sie verwechseln mich mit meiner Zwillingsschwester!« sagen

Weitere Kostenlose Bücher