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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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sollte. Aber dann entschied ich mich dagegen.
    »Das war sehr nett von Ihnen, mir zu helfen«, sagte ich. »Danke.«
    »Liebeskummer?«, fragte er mitfühlend.
    »Kann man so sagen.«
    »Kein Mann ist es wert, dass man sich seinetwegen betrinkt!«
    Ah. Der Klassiker unter den tröstenden Plattitüden. Ich war gespannt, was als Nächstes kommen würde.
    Jetzt studierte er das Rezept. »Hab ich beides da. Ist aber ganz schön harter Tobak. Ich kann nur staunen, dass man dir das verschrieben hat.«
    Alternativ hätten wir da noch Baldrian und einen schönen Melisse-Tee.
    »Die Therapeutin sagt, es hält einen davon ab, von einer Brücke zu springen«, sagte ich. »Und ich denke doch, kein Mann ist es wert, dass man seinetwegen von der Brücke springt, oder?«
    Der Apotheker schien ein wenig verlegen, er murmelte etwas vor sich hin, dann verschwand er zwischen den großen Schubladenregalen hinter dem Tresen und kam mit zweikleinen Schachteln zurück. In der Zwischenzeit betrat ein neuer Kunde die Apotheke. Es war ein älterer Herr.
    »Ich brauche Salbe«, bellte er grußlos.
    »Ich bin sofort bei Ihnen«, sagte der Apotheker.
    Der ältere Herr stöhnte. »Ist denn sonst kein Personal da, Herrgottnochmal?«
    »Es tut mir leid, meine Kollegin hat sich heute Morgen krank gemeldet.«
    »Dann komme ich lieber gleich noch mal wieder. Aber legen Sie die Salbe schon mal für mich heraus, ich hab’s eilig.«
    »Um welche Salbe handelt es sich denn?«
    Der Rentner war schon halb auf dem Weg nach draußen. »Die, die ich immer nehme. Weiße Packung, blaue Schrift! Herrgottnochmal. Servicewüste Deutschland! Kein Wunder, dass es mit der Wirtschaft immer mehr bergab geht.« Schimpfend verließ er den Laden.
    »Ein Stammkunde?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte der Apotheker. »Aber leider gibt es davon haufenweise. Gestern war einer hier, der zeigte mir eine Tablettenkapsel und sagte, er wolle genau die gleichen, nur in rot. Was hat der mich angebrüllt! Bis auf die andere Straßenseite konnten die Leute hören, dass ich der inkompetenteste Quacksalber der ganzen Stadt sei.«
    »Klingt, als wäre das ein richtiger Traumjob.«
    »Oh ja. Aber nicht nur die Rentner ticken regelmäßig aus. Auch ganz junge Leute. Letzte Woche wurde einer total wütend, weil wir keine 100er Packungen Kondome verkaufen. Ich meine – liebe Güte, was hatte er denn damit vor?«
    »Vielleicht wollte er diese Luftballontiere daraus basteln. Oder er betreibt ein Bordell.«
    »Nein. Ich glaube eher, er wollte meine PTA beeindrucken. Am nächsten Tag kam er nämlich wieder und wollte wasgegen eine allergische Erektion .« Er kicherte und sah mich abwartend an, ob ich vielleicht auch lachte. Aber ich lachte schon seit fünf Wochen nicht mehr, außer ich war betrunken.
    »Was ist PTA ?«, fragte ich.
    Er seufzte, während er meine Medikamente in eine Papiertüte packte. »Wenn man Liebeskummer hat, findet man nichts komisch, oder? PTA ist die Abkürzung für pharmazeutischtechnische Assistentin. Kommt deine Familie aus Polen?«
    »Wie bitte?«
    »Na, du hast immer Polnisch mit mir gesprochen, in der Nacht.«
    »Tatsächlich?«
    »Jedenfalls hast du gesagt, es sei Polnisch. Für mich klang es nur wie besoffenes Genuschele, um ehrlich zu sein.«
    Ich schämte mich, dem Ansehen der polnischen Sprache durch mein Besäufnis geschadet zu haben, und hatte das Bedürfnis nach Wiedergutmachung. »Polnisch ist eine wunderbare, melodische und poetische Sprache«, sagte ich so streng wie möglich. »Sie klingt kein bisschen wie besoffenes Genuschele. Und – nein. Wir kommen nicht aus Polen. Meine Mandolinenlehrerin kommt aus Polen. Möchten Sie sonst noch etwas wissen? Oder vielleicht etwas Beleidigendes über Mandolinen sagen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich möchte ich dich nur ein wenig aufmuntern. Liebeskummer! Pfffffft. Kein Grund, die ganze Welt zu hassen.« Ich sah, wie er mit sich kämpfte, während er die Rezeptgebühr entgegennahm. Jetzt räusperte er sich. Ganz offensichtlich wollte er mir gerne noch etwas sagen.
    »So ein hübsches Mädchen wie du findet doch ganz schnell was Besseres«, schlug ich vor.
    Er hob den Kopf, und ich sah, dass er leicht errötet war.
    »Andere Mütter haben auch schöne Söhne«, fuhr ich unbarmherzig fort. »Und dann natürlich der Klassiker: Du bist noch so jung. Sei froh, dass du den los bist.«
    »Das wollte ich gar nicht sagen«, sagte er und sah mich kopfschüttelnd an.
    »Ach nein?«
    Er wurde noch ein bisschen röter.

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