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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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uns in den Laden?«
    »Später vielleicht. Ich muss noch ein paar Besorgungen machen.« Ich hörte, wie Mimi Luft holte und fuhr schnell fort: »In der Apotheke. Außerdem brauche ich ein Schulheft, weil Frau Karthaus-Kürten will, dass ich ein Tagebuch führe. Ich werde es Von Idioten umzingelt nennen und später ein Buch daraus machen. So eine Art Leitfaden für Verzweifelte. Wie fändest du das?«
    »Kennst du den Witz mit dem Geisterfahrer? Eigentlich ist es mehr ein Gleichnis, in deinem Fall. Also, Tünnes und Schäl fahren auf der Autobahn und hören denVerkehrsfunk. Achtung, Achtung, auf der A 4 kommt Ihnen zwischen Köln-Merheim und Kreuz Köln-Ost ein Geisterfahrer entgegen … Ha, sagen da Tünnes und Schäl, von wegen einer! Das sind doch hunderte.«
    »Und du meinst, ich bin Tünnes und Schäl?«
    »Genau. Ersetze einfach Geisterfahrer durch Idiot, dann hast du’s.«
    »Wie möchtest du in meinem Buch heißen? Lucille, die garstige große Schwester?«
    »Mir ist alles recht außer Gertrud. Kauf dir bloß ein dickes Heft. Oder besser direkt fünf, Frau Karthaus-Kürten wird sich wundern, wie viel du zu erzählen hast, wenn du erst einmal loslegst.«
    »Es wird ja schon Seiten füllen, wie Lucille, die garstige große Schwester, mir einen Gänseblümchenkranz auf den Kopf getackert hat. Oder war es eine Heißklebepistole?«
    »Hallo? Also bitte – das war Tesafilm!«
    »Paketband!«
    »Tesafilm!! Und ich hab’s nur gemacht, weil du das glatzköpfigste Baby aller Zeiten warst und ich dich ein wenig verschönern wollte.« Lucille, die garstige große Schwester, befahl mir, das Handy eingeschaltet zu lassen, und sagte, dass sie mich lieb habe.
    Ich sagte ihr, dass ich sie auch lieb hätte. Seit Karl tot war, bemühte ich mich stets um nette letzte Worte. Man konnte ja nie wissen.
    Ich ging den ganzen Weg von Frau Karthaus-Kürten zurück zu Fuß, anstatt die drei Stationen mit der Straßenbahn zu fahren. Es war nicht unbedingt das optimale Wetter zum Spazierengehen, aber ich war froh über den trüben Novemberhimmel und den Nieselregen. Sonnenschein oder gar Frühling wären derzeit unerträglich für mich gewesen. Auch die mürrischenGesichter der Menschen, die mir entgegenkamen, gefielen mir. Sie gaben mir das gute Gefühl, nicht der einzige unglückliche Mensch in dieser Stadt zu sein. Das Heultherapiestündchen bei Frau Karthaus-Kürten hatte mich insgesamt ein bisschen milder gestimmt, ich hatte jedenfalls gerade mal nicht das Bedürfnis, alle Leute beiseitezuschubsen und dabei zu rufen: »Aus dem Weg! Mein Mann ist gestorben!«
    Mimi und Ronnie wohnten in einer recht noblen Vorstadtgegend, in der alle Straßen nach Insekten benannt worden waren. Vor allem in den Reihenhaussiedlungen drängten sich die Straßen dicht an dicht. Irgendwann nach den gewöhnlichen Ameisen, Libellen und Hornissen mussten den armen Städteplanern die Ideen ausgegangen sein, weshalb sie sich auf der Suche nach neuen Namen möglicherweise ein Schädlingsbekämpfungshandbuch zugelegt und total bekifft hatten. Am besten gefiel mir »Dickmaulrüsslerweg«, dicht gefolgt von »Braunbandschabenstraße«.
    Im Rosenkäferweg hatte Mimi Anfang des Jahres zusammen mit ein paar Freundinnen einen Schuhladen eröffnet, derhieß. Die Leute spekulierten viel über die Bedeutung des nicht im Duden stehenden Wortes »Pomps«, und eine Theorie war, dass es sich bei Pomps um die Ausscheidungen des Rosenkäfers handele, also quasi um Rosenkäferküttel. Meine Mutter fand den Namen so verwirrend, dass sie jedes Mal etwas anderes sagte, wie »Pomp auf Pump« oder »Pimps, Pumps und Pamps.« Und sogar ich hätte letzte Woche beinahe gelacht, als sie mich am Telefon fragte, ob ich Mimi nicht vielleicht bei »Pumps und Pups« ein wenig zur Hand gehen wolle, damit ich etwas zu tun habe und nicht so viel grübeln müsste.
    Das Konzept des Ladens – weniger Mainstream, mehr unbekannte Marken, dazu außergewöhnliche Handtaschen,hübscher Mädchenschnickschnack und Cappuccino umsonst – schien aufzugehen. Es war immer was los im Laden, und wegen der Schuhe des jungen italienischen Designers Francesco Santini, die es exklusiv für Deutschland nur beigab, kamen die Kundinnen auch von weiter her. Selbst ich, obwohl sonst an Mode eher wenig bis überhaupt nicht interessiert, fand die Schuhe unwiderstehlich. Zu meinem letzten Geburtstag hatte Mimi mir ein Paar türkisfarbene Riemchensandaletten von Santini geschenkt. Sie hatten elf Zentimeter hohe Absätze,

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