In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück
heißen soll wie »Untersteh dich, mir die wegzuessen.«
»Nelly, es gibt gleich Abendessen!«, sagte Constanze.
»Na und?«
»Ich dachte, du hast Liebeskummer!«
»Und was hat das mit dem Essen zu tun?«
»Liebeskummer schlägt einem auf den Magen«, sagte Constanze.
»Mir nicht«, sagte Nelly. »Mir schlägt es nur auf die Laune.«
»Ich kann keinen Unterschied zu sonst erkennen. Und ich sagte: Füße runter!« Constanze gab ihrer Tochter einen Klaps auf den Gummistiefel und drehte sich zu uns um. »Habt ihr gesehen? Drei von Gittis Handtaschen sind heute weggegangen, sogar die komische karierte mit dem Hirsch. Die Kundin fand sie total retro. Und ich habe wirklich noch versucht, sie ihr auszureden.«
»Gitti wird sich freuen«, sagte Mimi. »Das gleicht die Schlappe mit den gefilzten Pulswärmern aus, die keiner haben wollte.«
»Außer der Frau, die dachte, es handele sich um Topflappen«, sagte Nelly.
Trudi brachte ihre Kundin an die Tür, beladen mit zwei roten Tüten. Dann ließ sie sich wieder neben mich auf das Sofa plumpsen. »Das war so eine von denen, die Ich will mich nur mal umschauen sagen, fest entschlossen, das Portemonnaie nicht zu öffnen. Ich musste ein bisschen mit ihr atmen und sie daran erinnern, dass das Universum nur Fülle für uns bereithält und dass jeder Mensch sich Luxus verdient hat, auch sie. Und dann war sie plötzlich überzeugt, dass alles, was sie jetzt sieht, morgen schon weg sein kann. Meine Güte, ich musste sie förmlich überreden, nicht noch mehr an sich zu raffen. Sie möchte nächste Woche mit all ihren Freundinnen wiederkommen und kaufen, was übrig ist.« Trudi räkelte sich zufrieden. »Ich glaube wirklich, wir werden reich.«
Constanzes kleiner Sohn kletterte auf Trudis Schoß und kuschelte sich an ihren ausladenden Busen. »Kaufen wir uns dann ein Schiff?«, fragte er.
»Nein, Julius, Schatz«, sagte Constanze. »Aber wir können den Fliesenleger bezahlen. Das ist doch auch schon mal was. Ach, ich bin so glücklich, Leute. Ihr wisst ja gar nicht, was fürein super Gefühl das ist, endlich mal eigenes Geld zu verdienen.«
»So viel ist es nun auch wieder nicht«, sagte Mimi. »Aber ich muss zugeben, dass der Umsatz bisher meine kühnsten Erwartungen überstiegen hat. Es wird jeden Monat mehr. Wir hatten ja nicht mal ein Sommerloch.«
»Du hast wirklich nie gearbeitet, Constanze?«, fragte Trudi. »Auch nicht während des Studiums?«
Constanze schüttelte den Kopf. »Nö. Ich habe eben jung reich geheiratet.« Dann grinste sie schwach und setzte hinzu: »Einen reichen A… äh.« Mit einem Seitenblick auf ihren Sohn brach sie ab.
»Affenarsch?«, ergänzte Nelly, und Trudi hielt dem Jungen schnell die Ohren zu. »Angeber? Armleuchter?«
»Anwalt«, sagte Constanze.
»Irgendwie stehst du auf diese Typen«, sagte Mimi. Constanzes aktueller Lebensgefährte war nämlich auch Anwalt. Seine Kanzlei vertrat mich in den Erbschaftsangelegenheiten.
»Tss«, sagte Nelly zu ihrer Mutter. »Du bist ja nicht gerade ein leuchtendes Vorbild! Ausgerechnet du willst mir einreden, dass es gut und wichtig für mich ist, blöde Zeitungen auszutragen!«
»Da fällt mir ein, dass ich wohl schon eigenes Geld verdient habe«, sagte Constanze schnell. »In den Schulferien in Bauer Klaasens Legebatterie. Für sieben fünfzig die Stunde. Und das waren damals noch Mark. Richtige Drecksarbeit war das. Dagegen ist einmal die Woche Zeitungen austragen wirklich harmlos. Was schnüffelst du an der armen Trudi rum, Julius?«
»Sie riecht wanzig«, sagte Julius.
»Es heißt ranzig«, sagte Nelly. »Du musst durch den Mund atmen, das mache ich auch immer. Erzähl weiter von deinem Drecksjob, Mama. Ich glaub dir nämlich kein Wort.«
»Du kannst Oma fragen! Ich durfte immer erst ins Haus, wenn ich mich von oben bis unten mit dem Schlauch abgespritzt hatte.« Etwas kleinlaut setzte Constanze hinzu: »Ich habe auch nur zwei Wochen durchgehalten, weil mir die Hühner so leidtaten und Bauer Klaasen gesagt hat, eine Heulsuse wie mich könne er nicht gebrauchen.«
Trudi lachte. »Und womit verdienst du dein Geld, Mimis kleine Schwester?«
Sofort fühlte ich mich unbehaglich. »Ich habe ebenfalls jung geheiratet«, sagte ich. »Und praktischerweise erbe ich jetzt auch noch jung.«
»Sie war gerade dabei, ihre Abschlussarbeit zu schreiben, als der …«, sagte Mimi. »… als ihr Mann starb.«
»Ich habe auch ewig studiert«, sagte Trudi zu mir. Es sollte mich wohl aufmuntern.
»Ja, aber
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