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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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notiert.«
    »Ach ja? Hast du das im Blockflötenunterricht gelernt?«, fragte Helen pampig. Corinne kicherte.
    Leo mischte sich nicht ein. Er beobachtete genau wie ich seinen Vater. Der war in der Raummitte von einem weißhaarigen Ehepaar aufgehalten worden. Gott sei Dank. Auch Leo neben mir atmete hörbar auf.
    »Dann mach es doch besser, wenn du kannst«, sagte Helen. Sie stand auf und gab mir einen kleinen Schubs.
    »Was?«
    »Spiel es mir doch mal richtig vor«, sagte Helen.
    Corinne kicherte wieder.
    »Hel!«, sagte Leo mahnend.
    »Ist doch wahr!« Helen verzog die Lippen zu einem Schmollmund. »Anstatt rumzunörgeln, soll sie doch mal zeigen, ob sie es besser kann. Aber ich kann Oma ja mal fragen, ob sie irgendwo eine Blockflöte hat.«
    Karl hatte sich wieder in Bewegung gesetzt.
    »Achtung, Papa kommt«, zischte Corinne.
    Ich ließ mich auf die Klavierbank gleiten.
    »Oh nein!«, sagte Helen. »Sie macht es wirklich.«
    »Hallo«, sagte Karl. »Gibt es hier ein Konzert?«
    »Ja«, sagte Corinne, und ihre Stimme triefte vor Schadenfreude. »Carolin will Helen zeigen, wie Allegro geht.«
    »Adagio«, sagte ich und ließ die Finger unschlüssig über den Tasten schweben. »Und eigentlich wollte ich nur zeigen, dass diese Zweiunddreißigstel … und Sechzehntel …«
    »Lass dich nicht aufhalten!«, sagte Helen. »Wir sind ganz Ohr!«
    Mein Herz klopfte wie verrückt. Karl lehnte sich an den Flügel und lächelte auf mich herunter.
    Nein, wenn ich jetzt spielte, würde ich alles kaputt machen. Das konnte ich nicht tun. Am besten würde ich einfach den Flohwalzer zum Besten geben, lächeln und wieder aufstehen.
    Ich starrte die Noten an.
    Corinne und Helen kicherten hinter mir, als ob sie gekitzelt würden. Leo sagte: »Carolin«, und es klang genervt.
    Er hatte ja Recht. Ich sollte aufstehen.
    Aufstehen oder den Flohwalzer spielen. Eins von beidem.
    Karl sah mich erwartungsvoll an. Und da konnte ich einfach nicht widerstehen. Ich begann zu spielen. Die ersten paar Takte waren meine Finger noch ein wenig eingerostet, aber nach einer Weile hatte ich mich eingespielt, und seltsamerweise entspannte ich mich dabei zunehmend. Das Pochen hinter meinem Auge ließ nach und verschwand schließlich ganz. Die Noten brauchte ich auch nicht mehr, die Erinnerung an das Stück kehrte mit jeder gespielten Note deutlicher zurück. Ich hatte die Sonate immer sehr geliebt, und es machte kaum einen Unterschied, ob ich sie auf einem Klavier spielte odereinem Cembalo. Jeder Fingersatz saß perfekt. Als ich mit dem zweiten Satz begann, waren die Gespräche ringsherum verstummt, und ein paar Leute mehr hatten sich um den Flügel versammelt und sahen mich an. Das Gekicher in meinem Rücken hatte ebenfalls längst aufgehört.
    Auch Leos Großeltern kamen näher und hörten zu. Es machte mir nichts aus. Ich spielte ohnehin nur für Karl.
    Wenn ich von den Tasten hoch schaute, sah ich sein nun ganz ernstes Gesicht, und aus irgendeinem irrationalen Grund hoffte ich, dass er Klavierspielen mindestens so sexy fand wie Kopfrechnen.
    Als ich den letzten Satz beendet hatte, applaudierten die Umstehenden, Karl lächelte wieder, und Leos Großmutter sagte: »Aber das war ja ganz wunderbar, Carolin. Leo hat uns gar nicht verraten, was für ein großartiges Talent Sie sind.«
    Ich hörte Leo hinter mir tief Luft holen. »Das wollte ich mir für einen besonderen Moment aufheben«, sagte er dann kühl.
    Ich biss mir auf die Unterlippe und sah ungläubig auf meine Hände. Warum hatte ich das getan? Ich musste von allen guten Geistern verlassen sein! Alles nur wegen dieses fremden Mannes. Dieses fremden alten Mannes. Leos Vater.
    Der wurde gerade wieder von Corinne belagert, die wohl gar nicht genug Fotos von ihm machen konnte. Und Helen war verschwunden.
    Ich stand auf und drehte mich zu Leo um, unfähig, ihm in die Augen zu sehen.
    »Das war gut«, sagte Leo leise. »Vor allem für jemanden, der als Kind nur Blockflötenunterricht gehabt hat.«
    »Ich habe nie gesagt, dass ich nur Blockflötenunterricht gehabt habe«, sagte ich.
    »Doch, das hast du«, sagte Leo. »So konntest du meinekleine Schwester ja auch viel wirkungsvoller blamieren. Ausgerechnet vor meinem Vater.«
    Ich wollte etwas zu meiner Verteidigung sagen, aber Leo schnitt mir das Wort ab. »Du entschuldigst mich? Ich gehe sie suchen, sie sitzt sicher irgendwo und heult sich die Augen aus.«
    Und dann ließ er mich einfach stehen.
    »Es ist leicht,
    das Leben schwer zu nehmen.
    Und es ist

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