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In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück

Titel: In Wahrheit wird viel mehr gelogen - Erben bringen Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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das ist schon Carolins drittes abgeschlossenes Studium«, sagte Mimi und wiegte Trudis Baby hin und her. »Zuerst hat sie Geophysik und Meteorologie in Hannover studiert. Danach hat sie in Köln mit Jura angefangen. Aber als sie Karl kennen gelernt hat, hat sie das abgebrochen und stattdessen romanische Sprachen in Madrid studiert. Und anschließend hat sie ein Betriebswirtschaftsstudium gemacht. In Zürich.«
    »In Sankt Gallen«, verbesserte ich.
    »Ja, genau. Sie ist jeden Morgen von Zürich mit dem Zug hingefahren. Und abends wieder zurück. Während der Zugfahrten hat sie spanische Artikel für Wissenschaftsmagazine übersetzt. Um Geld für die Haushaltskasse dazuzuverdienen. Ihr Geizkr… Mann hatte nämlich nur ein mageres Dozentengehalt. Na ja, und ein paar Mietshäuser und Aktienpakete und so was, aber das hat er Carolin nicht verraten.«
    »Die garstige Lucille nutzte jede Gelegenheit, um ihrer Schwester Gemeinheiten an den Kopf zu werfen«, sagte ich.»So wie sie ihr früher immer Haarschleifen an den Kopf getackert hatte.«
    »Geklebt, du alter Glatzkopf!«, sagte Mimi. »Carolin spricht außerdem perfekt Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Polnisch und Koreanisch.«
    »Nicht perfekt«, sagte ich. Italienisch konnte ich, wenn überhaupt, nur lesen, und Koreanisch hatte ich – außer mit dem Cembalolehrer – überhaupt niemals gesprochen.
    »Dann bist du so eine Art Wunderkind?«, fragte Nelly.
    »Ich war so eine Art Wunderkind«, sagte ich. Jetzt war ich kein Kind mehr. Und höchstens noch wunderlich.
    »Drei Studienabschlüsse! Wow!« Trudi sah beeindruckt aus. »Und was hast du damit jetzt vor? Oder vielmehr: Was hattest du vor, bevor dein Mann gestorben ist?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »In London kann man ein aufbauendes Masterstudium dranhängen. Wahrscheinlich hätte ich mich dafür eingeschrieben.«
    »Für ein viertes Studium? Wirklich? Hast du nicht irgendwann mal die Schnauze voll von der ganzen Lernerei?«
    Ich sagte nichts.
    »Du musst doch irgendwelche beruflichen Pläne gehabt haben.« Trudi ließ nicht locker. »Irgendeinen Traumberuf, den du gern ergreifen willst.«
    Ich sagte immer noch nichts.
    »Ich zum Beispiel wollte immer mit Menschen arbeiten und ihnen die Wunder des Universums näherbringen, durch Atmen, Tanzen, Meditieren und richtiges Kommunizieren mit unseren geistigen Führern.«
    So siehst du auch aus.
    »Und du? Von welchem Job träumst du? Welche Arbeit wäre für dich optimal?« Trudi sah mich abwartend an. Eigentlich sahen mich alle an.
    Leider hatte Trudi meinen wunden Punkt erwischt. Ich hatte keine beruflichen Pläne gehabt. Schon gar keine beruflichen Träume. Das Einzige, das ich fest geplant hatte, war, zusammen mit Karl alt zu werden, erst er, dann ich. Aber das ungerechte Leben hatte mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.
    Das Problem mit mir war: Ich hatte keine hervorstechenden Begabungen, ich war für alles gleichermaßen begabt. Und es gab nichts, das ich wirklich leidenschaftlich gern machen wollte. Wohl deshalb war es mir so vorgekommen, als sei Studieren das Einzige, das ich wirklich gut konnte. Egal, wie viel ich in mein Gehirn schaufelte, es konnte immer noch mehr vertragen. Lauter gute Noten konnte man schnell mal mit Interesse an der Materie gleichsetzen, nach dem Motto, was man gut kann, macht man auch gern. Leider traf das bei mir nicht zu.
    Nehmen wir zum Beispiel die Lyrik von Vincente Aleixandre y Merlos – eigentlich auch nicht mein Fall. Trotzdem konnte ich zwölf seiner Gedichte auswendig, auf Deutsch und auf Spanisch. Wenn ich ehrlich war, interessierten mich auch die Allokation von knappen Ressourcen und jegliche Konvexitätsannahmen einen Scheißdreck. Aber mein Gehirn verstand sie mühelos und merkte sich alles. Das hieß aber nicht, dass ich vorhatte, irgendwann als Marketingdirektor oder Spanischlehrerin zu arbeiten.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Mein Lebenstraum war es, ewig zu studieren und dann gleich in Rente zu gehen.«
    »Ich hatte auch nie beruflichen Ehrgeiz«, sagte Constanze und tätschelte liebevoll meinen Arm. »Ich war eigentlich immer ganz zufrieden damit, mich um die Kinder zu kümmern.«
    »Aber Carolin hat keine Kinder«, sagte Trudi.
    Mimi seufzte.
    »Sie ist aber doch noch so jung«, sagte Constanze.
    »Nur verglichen mit dir, Mama«, sagte Nelly.
    Trudi fuhr Constanzes Söhnchen mit den Fingern durch die blonden Locken. »Manchmal weiß man eben nicht sofort, was man wirklich will. Dafür

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