In weißer Stille
blätterte die Seiten durch. Anschließend trug er ein in Folie eingeschweißtes Buchzur Kasse. Drei Kilo Sehnsuchtsfotografien. Auf dem Viktualienmarkt erstand er Steinpilze und einen Bund Petersilie, aß beim Stand vom
Ochsenbrater
eine Portion Ochsenfleisch mit Kartoffelsalat im Stehen und ging dann zu Marcello, um einen Espresso multikulti zu trinken. Dabei blätterte er in dem Reclamheft mit Baudelaire-Gedichten. Die Verkäuferin hatte ihm das Gedicht gezeigt, nach dem er gesucht hatte.
An eine, die vorüberging.
Es endete mit der Zeile:
Dich hätte ich geliebt, und du hast es geahnt!
Es gab ihm einen Stich.
Um kurz vor zwei war Dühnfort wieder im Präsidium, deponierte seine Einkäufe im Büro und ging dann zu Gina und Alois hinüber. Alois saß hinter seinem Computer und schrieb eine E-Mail. Gina setzte sich zu ihm an den kleinen Besprechungstisch und goss sich ein Glas Wasser ein. »Auch eines?«
»Danke, nein. Wie seid ihr mit dem GHB vorangekommen?«
»Zäh. Aber langsam wird es.«
Alois schickte die Mail los und setzte sich zu ihnen. »Ich habe mit den Kollegen von der Drogenfahndung geredet und ihnen Fotos von allen Beteiligten gegeben. Ihr Kontaktmann hört sich in der Szene um. Außerdem habe ich die Hersteller und Großhändler von Somsanit und Xyrem kontaktiert und um die Lieferdaten der letzten vier Wochen gebeten. Wenn wir dann wissen, welche Apotheken das Zeug in der letzten Zeit verkauft haben, kriegen wir auch die Käufernamen, da die Medikamente rezeptpflichtig sind.«
»Gut. Wann werden die Angaben vorliegen?«
»Morgen, spätestens übermorgen.«
»Wie steht es mit den Lösemitteln?« Dühnfort wandte sich an Gina.
»Es gibt nur eine Firma, die GBL in so hoher Konzentration anbietet.
Superclean
heißt das Zeug. Dem Hersteller ist durchaus bewusst, dass man es auch
Superkill
nennen könnte. Entsprechende Warnhinweise sind auf der Flasche und auch auf dem im Internet zugänglichen Produktblatt. Trotzdem kann man es ohne Vorlage eines Ausweises kaufen, sogar übers Internet. Lieferung erfolgt bei Erstbestellern per Nachnahme. Bis morgen habe ich eine Käuferliste.«
»Gut. Hat die Befragung von Bertrams Nachbarn etwas ergeben?«
Alois knöpfte sein Sakko auf und lehnte sich zurück. »Das Verhältnis zu den Nachbarn war gut. Von seinen existentiellen Problemen wusste niemand etwas. Alle sind über seinen Tod erschüttert und beschreiben ihn als netten Mann, der ein großes Talent besaß, Geschichten zu erzählen. Deshalb wurde er gerne eingeladen, zum Grillen, auf Partys und zu Sommerfesten. Die Geschichte, wie Bertram dem Russen die Pistole abnahm, ist in der Nachbarschaft bekannt.«
»Frauengeschichten hatte er keine. Jedenfalls haben wir nichts gefunden«, sagte Gina. »Seine beiden ehemaligen Mitarbeiter sind sauer auf ihn. Die Kündigungen kamen für sie völlig unerwartet. Auch ihnen hat er Geschichten erzählt – von bevorstehenden Aufträgen und tollen Kontakten. Die beiden letzten Monatsgehälter konnte er ihnen nicht zahlen, und die Sozialversicherungsbeiträge des letzten halben Jahres hat er hinterzogen. Beide haben inzwischen eine neue Anstellung. Kein Mordmotiv in Sicht.«
»Der Presseaufruf hat bisher leider zu keinem Ergebnis geführt«, sagte Dühnfort. »Niemand hat gesehen, wer Heckeroths Wagen auf dem Hotelparkplatz abgestellt hat. Bist du an der Gästeliste dran?« Er blickte zu Alois.
»Sie liegt vor, und Sandra Gottwald ist noch immer damit beschäftigt, sie durchzutelefonieren.«
Alles brauchte eben seine Zeit. Das Handy in Dühnforts Tasche begann zu fiepen. Es war Buchholz. »Ich wollte dir nur sagen, dass wir ein paar sehr interessante Fingerabdrücke in Bertrams Haus identifiziert haben. In der Küche, auf der Arbeitsfläche und im Wohnzimmer am Couchtisch. Nämlich die von Sabine Groß.«
»Nur in der Küche und im Wohnzimmer? Gibt es keine im Büro?«
»Nee, dort nicht.«
Dühnfort dankte ihm und legte auf.
»Sabine Groß war in Bertrams Haus? Habe ich das jetzt richtig mitbekommen?« Ginas Augenbrauen wanderten nach oben.
»Konntest du mit ihr sprechen?«
»Kurz. Den Mord an Bertram kann sie definitiv nicht begangen haben. Ein besseres Alibi als die geschlossene Abteilung gibt’s nicht. Für den Zeitraum, in dem der alte Heckeroth überfallen wurde, hat sie allerdings nichts Besseres zu bieten, als allein daheim gewesen zu sein.«
»Wie erklärt sie den Anruf bei Bertram?«
»Angeblich hat sie nicht mit ihm gesprochen und gleich wieder
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