In weißer Stille
stürzte. Dühnfort ließ das Fernglas sinken und beschloss, ins Haus zu gehen, bevor das eskalierte. Er gab Christine Meingast den Feldstecher zurück. »Das Gespräch zwischen den beiden ist außer Kontrolle geraten. Sie bleiben hier und bitten die Kollegen, wenn sie kommen, sich vorerst ruhig zu verhalten.«
»Sollten wir nicht zu zweit …«
Dühnfort schüttelte den Kopf. Jetzt kam es auf jedes Wort an, auf jede Geste, und Christine Meingast schien ihm dafür zu impulsiv zu sein. »Zu viel geballte Staatsmacht wirkt nicht deeskalierend.«
Er griff unter den Mantel und öffnete das Holster seiner Dienstwaffe. Am besten, er gab sich unwissend, als komme er vorbei, um am Tatort ein Detail zu überprüfen, und sei überrascht, Albert und seine Frau anzutreffen. Doch dann musste er das Auto nehmen. Er stieg ein, fuhr die kurze Strecke, stoppte vor dem Grundstück und stieg aus.
Albert blickte in den Garten, als Dühnfort das Grundstück betrat. Dieser hob grüßend die Hand, Albert nickte ihm zu und verschwand vom Fenster. Als Dühnfort die Haustür erreichte, wurde sie geöffnet. Barbara Heckeroth stand in der Türöffnung, Albert hinter ihr. Mit dem linken Arm hielt er seine Frau an sich gepresst, mit der freien Hand drückte er ihr die Spitze eines Tranchiermessers an den Hals, exakt an jene weiche Stelle unterhalb des Ohrs, an der die Schlagader dicht unter der Haut verlief. Ein Ruck und es würde ein Blutbad geben. Die Angst stand Alberts Frau ins Gesicht geschrieben. Ebenso wie ihm.
Ein Täter mit kühlem Kopf wäre Dühnfort lieber gewesen. Mit so einem konnte man verhandeln, die waren stabiler, belastbarer. Albert dagegen war ein Nervenbündel. Dühnfort hob beschwichtigend die Hände. »Herr Heckeroth. Das ist keine Lösung. Sie machen es nur noch schlimmer.« Albert starrte ihn an. »Geben Sie mir das Messer.« Dühnfort streckte die Hand aus. Doch Albert presste seine Frau noch enger an sich, während seine Hand sich um das Heft krampfte und die Knöchel weiß hervortraten. »Ich gehe nicht ins Gefängnis. Niemals.«
»Wir können über alles reden. In Ruhe. Aber erst lassen Sie Ihre Frau gehen.« Dühnfort zog die Hand nicht zurück.
»Verarschen Sie mich nicht!« Albert zerrte seine Frau ins Innere des Hauses und knallte die Tür zu. Einen Moment später knirschte der Schlüssel im Schloss. Merde. Dühnfort zog sich zurück. Erst im Schutz der Fichten holte er das Handy aus der Tasche, informierte Berentz von der Einsatzabteilung über die Lage und forderte ein Sondereinsatzkommando an. »Aber bitte ohne großes Tamtam. Der Geiselnehmer ist psychisch instabil. Könnte sein, er läuft Amok oder bringt sich um.«
Dühnfort ging zurück zum Seitenweg. Christine Meingasts Streifenwagen stand verlassen am Rand. Sie war verschwunden. »Merde«, fluchte Dühnfort lautlos und nahm das Fernglas vom Fahrersitz.
* * *
Babs spürte die Wärme von Alberts Körper an ihrem und die Kälte der Klinge an ihrer Kehle. Sie hörte seinen Atem, registrierte das Zittern, das unkontrolliert durch ihren Körper lief, während Albert sie zurück indie Küche zerrte. Trotzdem weigerte sich ihr Verstand, das als Wirklichkeit zu akzeptieren. »Du tust mir weh. Lass mich bitte los.« Sie versuchte, Ruhe in ihre Stimme zu legen, aber die Worte kamen krächzend heraus. Er lockerte seinen Griff nicht, stellte sich mit ihr ans Fenster und blickte in den Garten. »Was willst du tun? Dühnfort wird Verstärkung rufen. In ein paar Minuten wird das Haus umstellt sein. Du musst aufgeben.« Sie spürte, wie sich sein Griff lockerte. Er ließ das Messer sinken, bis auf Bauchhöhe. »Man wird dich nicht wegen Mordes anklagen. Du wolltest deinen Vater ja nicht töten. Sicher werden sie berücksichtigen …«
Mit einem Ruck zog er sie wieder an sich, quetschte die Luft aus ihrer Lunge. »Halt den Mund!«
Albert hatte keinen Plan, nur den festen Willen, für seine Tat nicht zu büßen. Aber wie stellte er sich das vor? Er musste doch erkennen, dass es zu spät war, dass er das nicht Bertram in die Schuhe … Bertram … hatte er auch seinen eigenen Bruder … aber das war unmöglich … als Bertram erschossen worden war, hatte sie mit Albert beschwipst im Bett gelegen.
Ihre Rippen schmerzten unter dem Druck von Alberts Arm. Sie verlagerte das Gewicht auf das andere Bein, drehte dabei den Körper ein wenig und sah, wie die Schlafzimmertür langsam geöffnet wurde. Albert blickte unverwandt in den Garten. Als sie sich rührte,
Weitere Kostenlose Bücher