In weißer Stille
hob er die Klinge erneut zum Hals.
Babs wusste, dass die Schlafzimmertür quietschte, kurz bevor sie ganz geöffnet wurde. Albert durfte das nicht hören. »Was willst du fordern, wenn die Polizei das Haus umzingelt hat? Freien Abzug? Und dann? Wohin willst du?« Ihre Stimme klang zu hektisch und zu laut. In der halb geöffneten Schlafzimmertür erschiendie kleine pummelige Polizistin von der Raststätte. Nicht Dühnfort. Babs schnappte vor Überraschung nach Luft. Albert wandte sich um. Mit einem Ruck zog er Babs vor sich. Wie einen Schutzschild. Die Klinge an ihrer Kehle ritzte die Haut. Ein warmes Rinnsal lief den Hals hinab.
»Lassen Sie Ihre Frau los und werfen Sie das Messer auf den Boden!« Die Polizistin hielt eine Waffe in der Hand und ging durch den Raum auf Babs und Albert zu. Babs erkannte die Unsicherheit im Schritt und nahm das leichte Zittern ihrer Hand wahr.
»Umgekehrt.« Der Druck der Klinge verstärkte sich an Babs’ Hals. »Sie lassen die Waffe fallen.« Alberts Stimme klang fest und ein wenig spöttisch. »Oder wollen Sie auf eine unschuldige Frau schießen?«
Einen Moment zögerte die Polizistin. Sie war nur noch anderthalb Meter entfernt. Alberts Körper spannte sich. Er löste seine Umklammerung und stieß Babs mit aller Kraft von sich. Sie stolperte auf die Polizistin zu, fiel und sah, wie Albert sich auf die Frau stürzte und mit ihr zu Boden ging. Das Messer schlitterte über die Fliesen und unter den Tisch. Albert griff nach der Hand mit der Pistole.
* * *
Als Dühnfort das offene Schlafzimmerfenster entdeckte, krachte im Haus ein Schuss. Er fuhr zusammen. Dieses dumme Mädchen! Sofort nahm er die Waffe aus dem Holster, entsicherte sie, steckte sie hinten in den Hosenbund und schlich um das Haus herum auf die Terrasse. Ein vorsichtiger Blick in die Küche verhalf ihm zu einer Einschätzung der Lage. Christine Meingast lag auf dem Rücken in einer sich rasch ausbreitenden Blutlache.Barbara beugte sich über sie und tastete am Hals nach dem Puls. Albert stand daneben, Meingasts Waffe in der Hand, Entschlossenheit im Blick. Wenn, dann würde er sich als Letzter erschießen. Vorher würde er ein Blutbad anrichten.
»Du musst etwas tun. Tu doch was!«, schrie Alberts Frau.
Wo blieb das SEK? Wo die von Gina angeforderte Verstärkung? Es waren jedoch erst drei Minuten seit Dühnforts Anruf bei Berentz vergangen und noch keine zehn seit seinem Telefonat mit Gina. Er konnte nicht warten. Wenn er jetzt nicht handelte, würde die junge Kollegin verbluten. Wie in drei Teufels Namen war sie auf die Idee zu diesem Alleingang gekommen? Dühnfort zog sich in den Schatten der Terrasse zurück, legte das Holster ab, schlüpfte wieder in Sakko und Mantel und atmete durch, bevor er mit erhobenen Händen an das Fenster trat. »Herr Heckeroth.«
Albert wirbelte mit der Waffe in der Hand herum. »Verschwinden Sie!«
Dühnfort konnte ihn durch das geschlossene Fenster kaum verstehen. »Ich schlage Ihnen einen Deal vor«, brüllte er. »Sie rufen einen Notarzt und akzeptieren mich im Austausch für die Frauen als Geisel.«
»Sie sollen abhauen!«
»Sie sind Arzt. Sie haben einen Eid geschworen, Leben zu retten. Helfen Sie meiner Kollegin.«
Albert schien zu zögern, blickte auf die Verletzte, dann wieder zu Dühnfort.
»Sie braucht ärztliche Hilfe.«
»Und wenn Sie mich reinlegen?« Albert sah suchend in den Garten.
»Das tue ich nicht. Ich bin allein und nicht bewaffnet.«Dühnfort öffnete den Mantel und das Cordsakko, drehte sich einmal um die eigene Achse und hoffte, dass Albert ihn nicht bat, beides abzulegen. »Ich komme jetzt rein. Sie bringen Ihre Frau zur Haustür. In Ordnung? Dann rufen wir einen Notarzt und ziehen uns in Ihren Wagen zurück. Ich fahre Sie, wohin Sie wollen. Wir haben aber nicht mehr viel Zeit. Ein Sondereinsatzkommando wird gleich hier sein.« Dühnfort blickte Albert fest in die Augen. Der nickte kaum merklich. Geht doch, dachte Dühnfort und ging zur Eingangstür. Der Schlüssel wurde im Schloss gedreht, die Tür geöffnet. Albert stand hinter seiner Frau, die Waffe auf ihren Hinterkopf gerichtet. Dühnfort hob wieder die Hände. Barbaras Augen waren angstvoll aufgerissen. Blut lief über ihren Hals und versickerte in der weißen Bluse. Albert gab ihr einen Stoß. Sie stolperte an Dühnfort vorbei ins Freie.
Albert griff nach ihm, zog ihn ins Innere und ging hinter Dühnfort her in die Küche. Christine Meingast wimmerte leise. Ihre Augen waren geöffnet, aber
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