In Zeiten der Flut
Das Bett knarrte unter ihnen, sie wälzten sich um und um, einmal war er oben, dann wieder unten und gleich wieder oben, bis er nicht mehr wußte, wer oben und wer unten war, wo sein Körper aufhörte und ihrer anfing oder welcher Körper zu wem gehörte. Und ganz am Schluß war sie das Meer selbst, und er verlor den letzten Rest Ichgefühl und ertrank.
»Noch einmal«, sagte sie.
»Ich fürchte, du verwechselst mich mit jemand anderem«, entgegnete der Bürokrat liebenswürdig. »Mit jemand erheblich Jüngerem. Aber wenn du dich zwanzig Minuten oder so gedulden kannst, werde ich mich überglücklich schätzen, es noch einmal versuchen zu dürfen.«
Sie setzte sich auf, mit schwingenden Brüsten. Caliban sandte bleiche Lichtpfeile durchs Fenster. Die Kerze war längst erloschen. »Weißt du etwa nicht, wie Männer einen Orgasmus nach dem anderen haben können, ohne zu ejakulieren?«
Er lachte. »Nein.«
»Das wird den Mädchen aber nicht gefallen, wenn du sie jedesmal eine halbe Stunde warten läßt«, neckte sie ihn. Und wieder ernst: »Ich zeig's dir.« Sie nahm sein schlaffes Glied in die Hand und bewegte es sachte hin und her. »Nach deinen aufschneiderischen zwanzig Minuten. In der Zwischenzeit zeige ich dir etwas, das dich interessieren dürfte.«
Sie warf sich eine Decke quer über die Schultern, so als trüge sie einen Schal. Im Zwielicht gab das ein seltsames Kostüm ab, mit Ärmeln, die bis auf den Boden hingen, und einem Rückenteil, das ihr nicht einmal bis zu den Beinen reichte, so daß zwei bleiche Mondsicheln zu ihm hervorlugten. Nackt folgte er ihr auf die Lichtung hinter der Hütte. »Schau«, sagte sie.
Rosafarbenes, blaues und weißes Licht strömte aus dem Boden. Die Rosenbüsche schimmerten pastellfarben, so als wären sie bereits vom Meer überflutet. Der Boden war hier kürzlich umgegraben und geharkt worden und erstrahlte in bleichem Feuer. »Was ist das?« fragte er verwundert.
»Iridobakterien. Sie sind von Natur aus phosphoreszierend. Man findet sie überall im Boden des Tidelands, normalerweise aber nur in winzigen Spuren. Sie sind von spirituellem Nutzen. Und jetzt paß auf, denn ich werde dir ein kleines Geheimnis anvertrauen.«
»Ich höre«, sagte er verständnislos.
»Man kann sie nur dadurch zum Leuchten bringen, indem man ein Tier im Boden vergräbt. Wenn es verwest, nähren sich die Iridobakterien von den Verwesungsprodukten. Ich habe die letzte Woche damit zugebracht, Hunde zu vergiften und sie hier zu vergraben.«
»Du hast Hunde umgebracht?« fragte er entsetzt.
»Es ging ganz schnell. Was, meinst du, wird aus ihnen, wenn die Flut kommt? Sie sind wie die Rosen, sie können sich nicht anpassen. Darum hat die Gesellschaft einen Hundefängerdienst organisiert und mich pro Hundeleiche bezahlt. Niemand hat Lust, einen Haufen herrenloser Köter zum Piedmont zu schaffen. Da an der Hütte lehnt eine Schaufel.«
Er holte die Schaufel. In einem Monat würde hier alles unter Wasser stehen. Er stellte sich vor, wie Fische durch die Häuser schwämmen, während ertrunkene Hunde mit offenen Mäulern umhertrieben und sich kopfüber in den überfluteten Rosenbüschen verfingen. Sie würden sich zersetzen, bevor die hungrigen Könige der Flut ihre Kadaver in Empfang nehmen würden. Auf Geheiß der Hexe schaufelte er die am hellsten leuchtenden Erdbrocken in eine rostige Metalltrommel, die fast bis zum Rand voller Regenwasser war. Die Erde sank auf den Boden, während im Wasser phosphoreszierende Schlieren aufstiegen. Undine schöpfte die Oberfläche mit einem Holzschaber ab und schlug sie in einer großen Schale schaumig. »Wenn das Wasser verdunstet, bleibt ein Pulver mit einem hohen Gehalt an Iridobakterien zurück«, meinte sie. »Es sind noch mehrere Verarbeitungsschritte erforderlich, aber jetzt sind sie konzentriert, das übrige kann solange warten, bis ich am Piedmont bin. Sie sind mittlerweile so alltäglich wie die Sünde, aber dort oben wachsen sie nicht.«
»Erzähl mir von Gregorian«, sagte der Bürokrat.
»Gregorian ist der einzige vollkommen böse Mensch, dem ich je begegnet bin«, antwortete Undine. Auf einmal war ihr Gesicht ganz kalt, so abweisend und hart wie die Steinwüsten Calibans. »Er ist schlauer als du, stärker als du, attraktiver als du und viel entschlossener. Die außerplanetarische Erziehung, die er genossen hat, ist mindestens so gut wie deine, und er ist ein Meister der okkulten Künste, an die du nicht glaubst. Du bist wahnsinnig, ihn
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