INAGI - Kristalladern
ein Schatten auf sie. Kiresh Yaren stieß einen Fluch aus, der ihre Ohren klingeln ließ. Er stieß Telan Rohin von sich weg und wirbelte herum. Mit schreckgeweiteten Augen taumelte der Gelehrte auf sie zu. Über den Dächern tauchte der Kopf eines Amanori auf. Sein mit spitzen Zähnen gespicktes Maul öffnete sich und ein Blitz schoss heraus. Kiresh Yaren wich ihm mühelos aus und brachte sein Kesh in Anschlag. Der Drache drehte sich und peitschte mit seinen gewaltigen Schwingen die Luft. Seine Zähne schnappten nach dem jungen Gohari. Ishira sog scharf die Luft ein. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Rondar mit blankem Schwert losstürmte. »Ishira! Lauf!« schrie er.
Doch sie war noch immer wie betäubt. Ihr Blick hing an Kiresh Yaren, der sich geschmeidig unter dem Hals des Amanori wegduckte und mit seinem Kesh zustieß. Die Waffe verhakte sich jedoch zwischen den Hornplatten, die die Brust des Drachen schützten, und blieb stecken. Der Amanori stieß ein Schnauben aus, das die Luft zum Erzittern brachte, und schüttelte sich in Rage. Kiresh Yaren schaffte es mit knapper Not, sein Schwert zu befreien und zurückzuspringen.
»Rohin, deine Waffe!« brüllte Rondar, während er seinem ehemaligen Schüler zu Hilfe eilte. »Gib den Wachen den Befehl, das Sprengrohr einzusetzen! Beeil dich! Und nimm Ishira mit!«
In den Telan, der ebenfalls wie versteinert den Kampf verfolgt hatte, kam Bewegung. Er packte Ishiras rechten Arm und rannte los. Willenlos ließ sie sich von ihm mitziehen. Ihr rauschte das Blut in den Ohren. Oder waren es die Drachenschwingen?
Sie sind hier. Das ist kein Traum. Die Amanori sind tatsächlich hier.
Sie und Telan Rohin hatten den Wachturm beinahe erreicht, als sie auf einmal in gleißendes Licht gehüllt wurden. Ishiras Körper begann zu prickeln, als würden Tausende feiner Nadeln auf sie einstechen. Rohin keuchte. Seine Hand verkrampfte sich um ihren Arm und er stolperte, als seine Beine unvermittelt den Dienst versagten. Ishira wurde mit zu Boden gerissen und landete halb auf ihm, weil das Rehime sie behinderte. Sie schnappte nach Luft, als ihr linkes Knie heftig auf einen Stein schlug. Der Schmerz riss sie aus ihrer Erstarrung. Ihr Verstand begann wieder zu arbeiten. Sie mussten in einen Drachenblitz geraten sein. Um ihre Hände und Arme spann sich ein Netz aus blass goldenen Lichtfäden. Dieselben Lichtspiele liefen auch über Telan Rohins linken Arm und seinen Rücken. Als Ishira probeweise versuchte ihre Hand zu heben, stellte sie überrascht fest, dass sie sich normal bewegen konnte. Die Nadelstiche waren zu einem Prickeln abgeklungen, das der Kristallenergie ähnelte. Hatte der Blitz sie nur gestreift? Sie richtete sich auf.
Ein schauriger Schmerzlaut ließ sie herumfahren. Rondar und Kiresh Yaren kämpften jetzt Seite an Seite gegen den Amanori. Sie hatten ihren Gegner gegen die Wand des Lagerhauses zurückgedrängt. Der Drache blutete aus einer großen Wunde am Hals. Ishira atmete auf. Es sah so aus, als wären die beiden Kireshi gemeinsam in der Lage, ihn zur Strecke zu bringen. Aber was war mit den anderen Amanori? Von hier aus konnte sie nur einen kleinen Ausschnitt des Forts sehen, doch das unvermindert anhaltende Waffengeklirr und Geschrei aus Richtung Lagermitte verkündete, dass der Kampf in vollem Gange war. Sie hatte keine Ahnung, welche Seite im Vorteil war, aber die Gohari mussten endlich Rohins Waffe einsetzen. Doch der Telan rührte sich nicht. Sie rüttelte ihn am Arm. »Telan Rohin, Deiro? Könnt Ihr mich hören?«
Der junge Mann versuchte etwas zu sagen, aber seine Stimme wollte ihm nicht gehorchen. Sein linker Arm krampfte sich zusammen und er stöhnte leise. Offensichtlich hatte ihn der Blitz heftiger getroffen als sie. Was sollte sie tun? Sie musste ihn irgendwie zum Wachturm bringen und hoffen, dass er sich bis dahin weit genug erholt hatte, um den Wachen den Befehl zum Schießen zu geben. Kurz entschlossen schlang sie sich seinen rechten Arm um die Schultern und zog ihn hoch. Er hing schlaff und schwer an ihr wie ein Sack Asagi. Mühsam schleifte Ishira ihn neben sich her zum Wachturm und stieß die Tür auf. Entmutigt musterte sie die Holzleiter, die nach oben führte. Auch wenn sie einiges an Gewicht tragen konnte, würde sie den Telan auf keinen Fall allein dort hoch bekommen. Sie musste die Wachen auf dem Turm um Hilfe bitten. Vorsichtig ließ sie Rohin zu Boden gleiten und lehnte ihn mit dem Rücken an die Wand. Sein Gesicht war blass und verzerrt und
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