INAGI - Kristalladern
»Verzeiht, Kojor«, sprach einer von ihnen ihn respektvoll an, sobald er seinen Satz beendet hatte. »Seid Ihr Yaren bel Helerash – der Drachenjäger, von dem man sich so viel erzählt?« Seine Stimme vibrierte vor Erwartung.
Yarens erster Impuls war, seine Identität zu leugnen, doch dann nickte er widerstrebend. Die Jungen schrien begeistert auf. Yaren ahnte, was jetzt kommen würde, und bereute seine Aufrichtigkeit im selben Moment. Das Letzte, was er wollte, war, für diese jungen Kerle die Heldenfigur abzugeben. Doch es war zu spät. Die Kampfschüler sprudelten los wie eine Quelle.
»Kiresh Yaren, bitte verratet uns, wie man am besten gegen die Drachen kämpft!« rief ein Junge mit zerzausten Haaren aufgeregt. »Wo sind sie besonders verwundbar?«
»Welche Technik verwendet Ihr, Kojor?«
»Wie viele Amanori habt Ihr schon getötet?«
»Ist es wahr, dass Ihr einmal gegen zwei Drachen gleichzeitig gekämpft habt?«
Die Fragen umschwirrten ihn wie ein Schwarm wilder Bienen. Er warf Rondar einen verzweifelten Blick zu, aber der sah nicht so aus, als ob von ihm Hilfe zu erwarten wäre. Im Gegenteil schien er selbst gespannt, was Yaren antworten würde. Als immer mehr Fragen auf ihn einstürmten, hob er schließlich in einer halb abwehrenden, halb ergebenen Geste die Hände. Sofort kehrte Ruhe ein. »Also schön, ich werde euch etwas über den Drachenkampf erzählen«, gab er nach. »Vorher gebt ihr ja doch keine Ruhe. Aber eines sage ich euch gleich: Ich bin alles andere als der Held, zu dem die Geschichten mich machen wollen, und deshalb versucht ja nicht, mir nachzueifern.«
Einige der Jungen lachten, als hätte er einen Scherz gemacht. Seine Miene verfinsterte sich. »Ich wüsste nicht, was daran so lustig ist«, sagte er scharf. Die Kampfschüler schwiegen betreten. Yaren sah sie streng an. »Um die letzte Frage zuerst zu beantworten:«, kam er zum Thema, »Kein Mensch kann gegen zwei Drachen gleichzeitig kämpfen. Diese Ungeheuer sind viel zu stark, viel zu wendig und viel zu gut gepanzert. Selbst um gegen einen einzelnen Drachen zu bestehen, bedarf es guter Vorbereitung und taktischer Überlegungen, insbesondere, wenn ihr auf euch allein gestellt seid. Bei einem Angriff bleibt dafür jedoch meist keine Zeit. Da könnt ihr euch nur auf euer Können und eure Erfahrung verlassen. Hütet euch davor, zu selbstsicher zu sein und versucht nicht, den Helden zu spielen«, warnte er sie eindringlich. »Wann immer möglich, kämpft als Gruppe. Auf diese Weise habt ihr sehr viel bessere Chancen, euren Gegner zu besiegen und am Leben zu bleiben.«
Rondar nickte zustimmend. »Gut gesagt, Yaren.«
Bitter dachte Yaren, dass das Unglück vor sechs Jahren nicht geschehen wäre, wenn er sich selbst an diese Ratschläge gehalten hätte. Aber er war jung und draufgängerisch gewesen und hatte seine Fähigkeiten überschätzt. Und seinen Fehler hatten Peron und Larika mit dem Leben bezahlen müssen.
»Wie greifen wir sie am besten an?« wollte einer der jungen Krieger wissen.
»Bitte verratet uns ihre Schwachstellen, Kojor«, drängte ein anderer.
Yaren ließ sich erweichen und erzählte ihnen einiges davon, was er im Laufe seiner Kämpfe über die Drachen herausgefunden hatte. Vor allem ermahnte er die Jungen immer wieder zur Vorsicht. Vielleicht würden wenigstens einige seiner Warnungen hängenbleiben. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so viel geredet hatte. Sein Mund fühlte sich schon ganz trocken an. Doch die jungen Kireshi wollten immer noch mehr wissen.
Schließlich erbarmte sich Rondar seiner. »Ich würde sagen, für heute habt ihr Kiresh Yaren genug gelöchert«, wies er ihre Zuhörer milde zurecht. »Morgen wird er auch noch da sein.«
Es gab vereinzelte Proteste, doch schließlich zogen die Jungen, in eifrige Diskussionen verwickelt, ab. Auf Rondars Lippen erschien ein gedankenvolles Lächeln, während er ihnen nachblickte. »Ich glaube, aus dir könnte ein guter Lehrer werden, Yaren.«
»Ein Schwertmeister? Ich?« wehrte Yaren ab. »Du scherzt!«
Sein Meister schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Ich denke, du hast alle Voraussetzungen, die nötig sind. Vor allem kommst du bei den jungen Leuten an.«
Yaren verzog gequält das Gesicht. »Ich glaube wirklich nicht, dass ich einen guten Seresh abgeben würde, Rondar. Ich habe nicht deine Geduld. Und ich tauge nicht als Vorbild.«
Rondar hob eine Braue. »Auch wenn du das noch so betonst: für diese Jungen bist du es, mag es dir gefallen
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