INAGI - Kristalladern
oder nicht. Ist es denn wirklich so falsch, dass sie von dir lernen wollen? Du wirst wohl kaum abstreiten, dass deine Kampffertigkeiten weit über dem Durchschnitt liegen, wenn ich untertreiben darf. Vielleicht denkst du irgendwann in Ruhe darüber nach, ob das Unterrichten nicht doch eine Perspektive für dich sein könnte.« Er lächelte. »Wie sehen deine Pläne für den Tag aus?«
»Ich würde mich gern mit Pelens Sohn unterhalten«, erwiderte Yaren, froh über den Themenwechsel. »Weißt du, wo ich ihn finden kann?«
Rondar nickte. Doch dann stutzte er und blickte sich suchend um. »Du bist nicht zufällig Ishira über den Weg gelaufen?«
Yarens Mundwinkel zogen sich nach unten. »Zufällig doch. Von ihr wusste ich, dass du auf dem Übungsplatz bist. Aber ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt ist.«
Rondar schmunzelte. »Wahrscheinlich hat sie sich ein ruhiges Plätzchen gesucht, um auf ihrem Rehime zu spielen. Das tut sie gern, wenn sie frei hat. Ich denke, ich kann sie eine Weile sich selbst überlassen, während wir Rohin einen Besuch abstatten. Bestimmt steckt er wie üblich in dem Lagerhaus, das er vorübergehend zum Laboratorium umfunktioniert hat.«
Yaren nahm Rondars beinahe väterliche Zuneigung zu dieser Sklavin mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Es stand ihm nicht zu, Kritik zu äußern, aber seiner Meinung nach war es ein Fehler, dem Mädchen so viel Freiraum zu lassen. Andererseits war er froh, dass sie bei ihrer Unterhaltung mit Pelens Sohn nicht dabei sein würde. Er wusste nicht genau, warum, aber im Gegensatz zu Rondar fühlte er sich in ihrer Gegenwart unbehaglich.
* * *
Sie bewegten sich stetig Richtung Westen, in Dreiecksformation. Die glühende Sonnenscheibe brachte die Schuppen der Amanori vor ihr zum Glitzern. Insgesamt waren sie zu elft. Ishira vibrierte vor Zorn, der in den Gefühlen der übrigen Drachen Antwort fand und von ihnen verstärkt wurde, bis er ihr Blut zum Kochen brachte.
Sie gingen tiefer. Als sie die Wolken durchstießen, erblickte sie unter sich eine große Siedlung. Von hier oben betrachtet, wirkten Dorf und Fort wie Spielzeug und die Menschen winzig wie Ameisen. Die Aussicht auf den bevorstehenden Angriff versetzte die Amanori in Erregung und schärfte Ishiras Sinne bis zum Äußersten. Energie strömte durch ihre Adern und bis in die letzte Klauenspitze fühlte sie die geschmeidige Kraft ihres Körpers. Sie legte die Schwingen an und ließ sich mit den anderen fallen, als wären sie ein einziges Wesen. Das Heulen des Windes und der Kampfruf, der in ihrer und zehn weiteren Kehlen aufstieg, berauschte sie. Ihre Muskeln spannten sich und in ihren Eingeweiden bildete sich das goldene Feuer. Sie war bereit.
Kapitel XVI – Tod eines Freundes
DER LANG GEZOGENE Kampfschrei, der die Luft durchschnitt wie eine niedersausende Klinge, ließ Ishira das Blut in den Adern gefrieren.
»Drachen! Die Drachen greifen an!« schallten die Warnrufe der Wachen durch das Lager. Unmittelbar darauf wurden sie vom hässlich scheppernden Ton des Alarmgongs übertönt.
Ishira sprang auf. Ihr Blick schoss zum Himmel. Sie entdeckte die dunklen Punkte beinahe sofort. Es waren elf Amanori, die wie Wildgänse in Dreiecksformation flogen. Sie erstarrte, das Rehime an die Brust gepresst. Unmöglich, dachte sie entsetzt. Unmöglich! Ihr schwindelte. Wie konnten die Amanori aus ihrem Traum tatsächlich hier sein?
Mit einem Mal war das gesamte Lager in Aufruhr. Die Kireshi liefen durcheinander und brüllten Befehle. Ganz in der Nähe rief jemand laut Ishiras Namen. »Bei allen Höllen, wo steckst du, Mädchen?«
Rondar! Es war das erste Mal, dass sie ihn fluchen hörte. Sie wollte ihm antworten, aber sie war nicht fähig, den Mund zu öffnen oder ihren Blick von den Amanori zu lösen. Wie gelähmt starrte sie in den Himmel. Ihre Kopfhaut prickelte vor Angst.
Er fand sie auch so. »Götter, Ishira!« brüllte er. »Steh nicht da wie festgewachsen!«
Benommen drehte sie sich um. Hinter Rondar eilten Kiresh Yaren und Telan Rohin heran. Der Bakouran wandte sich im Laufen zu dem jüngeren Kiresh um. »Ich werde sie von hier weg bringen!« rief er. »Du begleitest Rohin zum Wachturm!«
Kiresh Yaren sah aus, als wollte er protestieren, rannte dann jedoch mit dem Telan weiter in Richtung des nördlichen Wachturms. Aus der Mitte des Lagers ertönten Schlachtrufe und die Kampfschreie der Amanori. Die Drachen mussten sie erreicht haben.
Als die Männer mit Ishira auf gleicher Höhe waren, fiel
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