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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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berühren zu können. Sie fröstelte in ihren klammen Sachen, obwohl es nicht kalt war. Die Feuchtigkeit schien bis in ihre Knochen gedrungen zu sein. Sie sehnte sich nach einem trockenen Zimmer, doch wenn sie weiterhin nur in diesem Schneckentempo vorankamen, konnte es noch ewig dauern, bis sie Aiboshi erreichten.
    Auf einmal zügelte Kiresh Yaren sein Reittier und stieß eine Verwünschung aus. Ishira blickte auf. Vor ihnen war eine entwurzelte Fichte über die gesamte Breite der Straße gefallen und versperrte sie. Die Spitze ragte noch ein gutes Stück in den Abgrund zu ihrer Linken. Um den Baum zu umgehen, war das Gelände zu schroff. Zudem lagen am Hang rechts von ihnen weitere entwurzelte Bäume. Dazwischen war der Boden übersät mit scharfkantigen Felsen. Der Kiresh saß ab und musterte das Hindernis mit finsterer Miene. Ishira betete zu ihren Ahnen, dass er eine Möglichkeit fand, den Baum von der Stelle zu bewegen, und sie nicht den ganzen Weg zurück nach Noroko reiten mussten, um Hilfe zu holen.
    Ihr Begleiter kehrte zu Bokan zurück und holte das lange Seil, das am Sattel befestigt war. Er knotete das eine Ende am Sattelknauf fest und ging mit dem anderen zum Baum. Vorsichtig stieg er zwischen die Zweige und band das Seil um das obere Drittel des Stammes. »Geh aus dem Weg«, wies er Ishira an. »Und behalte den Himmel im Auge!«
    »Ja, Deiro.«
    Sie wendete Lesha und ritt einige Schritte den Weg zurück, den sie gekommen waren. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie Kiresh Yaren den Braunen am Zügel fasste. Langsam setzte Bokan einen Huf vor den anderen, bis das Seil sich spannte. Als er den Widerstand spürte, blieb er stehen. Der Kiresh sprach leise auf das Pferd ein, bis es sich wieder in Bewegung setzte. Die Muskeln an Bokans Hals traten deutlich hervor, als er all seine Kraft aufbot, um den Stamm herumzuziehen. Stück für Stück bewegte sich die Fichte. Immer wieder blieb der Braune stehen und der Kiresh musste ihm gut zureden. Zu allem Überfluss zog eine neue Regenfront heran, die am Horizont von Wetterleuchten begleitet wurde. Die ersten Tropfen fielen. Ishira zog ihren Umhang so eng um sich, wie sie konnte, aber der Stoff war noch nicht einmal vom letzten Schauer richtig getrocknet und dem alles durchdringenden Nadelregen würde er ohnehin nicht lange standhalten. Sie konnten von Glück reden, wenn sie wenigstens vom Gewitter verschont blieben.
    Während sie wartete, warf sie immer wieder nervöse Blicke zum Himmel. Das Unwetter kam näher. Ein Blitz zuckte über den Pass, kurze Zeit später gefolgt von langanhaltendem Donnergrollen. Unruhig rutschte sie im Sattel hin und her. Inzwischen fürchtete sie weniger das Auftauchen eines Amanori als die Aussicht, schutzlos den Elementen ausgeliefert zu sein.
    Nach einer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, lag der Stamm endlich so, dass die Straße annähernd passierbar war. Ishira stieß erleichtert die Luft aus. Ihr Begleiter würde noch einige der oberen Zweige abschlagen müssen, aber dann sollten die Pferde ausreichend Platz haben. Bokan hatte vor Anstrengung Schaum vor dem Maul und seine Flanken bebten. Sein Fell war dunkel, aber Ishira hätte nicht sagen können, ob vor Schweiß oder Nässe. Kiresh Yaren klopfte ihm den Hals und streichelte sein Maul. Im Umgang mit dem Pferd war er erstaunlich sanft. Vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil es seinem toten Meister gehört hatte. In Ermangelung eines eigenen Reittiers hatte er Bokan kurzerhand übernommen. Er hatte anfangs einige Kämpfe mit dem Braunen ausfechten müssen, der vor ihm ebenso zurückgeschreckt war wie vor ihr, doch inzwischen gehorchte das Pferd seinem neuen Herrn weitgehend widerstandslos.
    Der Kiresh löste das Seil und rollte es zusammen. Anschließend holte er eine kleine Axt aus seiner Satteltasche und machte sich daran, die Zweige abzuhacken, die über die Straße hingen. Mehrmals hielt er inne, um sich den Regen aus dem Gesicht zu wischen, bis er das Hindernis soweit beseitigt hatte, dass sie die Pferde daran vorbeiführen konnten. Keinen Augenblick zu früh, denn der nächste Blitz war bereits erschreckend nah. Der Donner, der beinahe unmittelbar im Anschluss folgte, brachte Ishiras Kopfhaut zum Kribbeln. Lesha stieg erschrocken. Ishira packte den Zügel fester und versuchte, ihre Stute zu beruhigen. In dem vagen Gefühl, beobachtet zu werden, blickte sie zu ihrem Begleiter hinüber, doch der war damit beschäftigt, die Axt zu verstauen. Die Härchen in ihrem

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