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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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aber so schwach, dass sie nicht sicher war, ob es nicht nur ihre Einbildung war. Der Drache hielt in seinem Bemühen inne. Erneut hefteten sich seine Augen auf Ishira. Seine schimmernden Bartfäden zitterten leicht. Er wirkte verwirrt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Offensichtlich nahm auch er etwas wahr. Es ist nicht nur meine Fantasie, dachte sie aufgeregt . Das hier passiert wirklich!
    Plötzlich wusste sie, dass sie dem Drachen helfen musste, auch wenn er versucht hatte, sie zu töten. Auf diese Weise konnte sie ihm zeigen, dass die Menschen nicht zwangsläufig seine Feinde waren. Vielleicht würde er den anderen Amanori davon berichten. Sie wusste, dass die Drachen sich untereinander verständigen konnten. Auf einer Ebene, die nicht einmal eine Sprache oder Laute verlangte. Sie konnten ihre Gefühle und Gedanken miteinander verbinden so wie sie selbst gerade eben mit dem Drachen vor ihr.
    Vorsichtig ließ Ishira Kiresh Yaren zu Boden gleiten. Seine Augen waren noch immer geschlossen. Nach kurzem Zögern nahm sie ihren Umhang ab und rollte ihn zusammen, damit sein Kopf nicht im Schlamm lag. Sie warf noch einen letzten Blick auf seine reglose Gestalt und ging dann zurück zu dem Amanori. Sie musste sich beeilen, wenn sie ihn befreien wollte. Der Kiresh würde nicht zögern, ihn zu töten, sobald er das Bewusstsein wieder erlangte – nicht einmal dann, wenn sie ihm von ihrer unglaublichen Erkenntnis berichtete. Er würde ihr gar nicht erst zuhören, geschweige denn, ihr Glauben schenken. Und selbst wenn doch, würde es kaum etwas an seiner Entscheidung ändern, den Amanori zu töten.
    Außer Reichweite des Drachen blieb sie stehen. Sie beäugten einander abwägend. Jetzt kamen Ishira doch Zweifel. War es nicht bodenloser Leichtsinn, was sie da vorhatte? Vermessen anzunehmen, dass das Wesen vor ihr sie verstehen konnte? Aber auch wenn ihre Idee noch so verrückt war: sie musste einfach versuchen, eine Brücke zu den Amanori zu schlagen.
    Langsam streckte sie dem Drachen ihre Hände entgegen, die Handflächen nach oben gewandt, auch wenn sie sich dabei ein wenig albern vorkam. »Ich bin nicht deine Feindin«, sagte sie leise. »Ich will dir helfen.«
    Ihr Gegenüber legte den Kopf ein wenig schräg. Ishira spürte noch deutlicher Verwirrung als zuvor. Das schien für den Anfang gut genug. Sie inspizierte sein Gefängnis. Sein Körper zwar zwischen Stamm und Boden eingeklemmt. Hals und Flügel wurden von den Ästen der Zeder niedergedrückt. Ohne die Axt, die im Gepäck bei den Pferden war, hatte sie keine Möglichkeit, den Stamm durchzuhacken, aber vielleicht gelang es ihr, mit Kiresh Yarens Kesh einige der Äste abzuschlagen. Wenn der Amanori mehr Bewegungsfreiheit hatte, konnte er sich vielleicht unter dem Stamm hervor winden.
    Als sie die Waffe, die nicht weit von ihr entfernt im Schlamm lag, aufhob, stieß der Drache einen klirrenden Laut aus und bewegte sich unruhig. »Keine Angst«, beruhigte Ishira ihn. »Ich will dir nichts tun. Ich will sehen, ob ich dich irgendwie da raus kriege.« Erstaunlicherweise bewirkten ihre Worte tatsächlich, dass der Amanori verstummte und still lag. Auch wenn er ihre Sprache nicht verstand, erkannte er offenbar, was sie im Sinn hatte.
    Das Kesh war schwerer, als sie gedacht hatte, und fühlte sich fremd an. Ishiras Herz begann zu rasen. Eine goharische Waffe in der Hand zu halten, grenzte an Rebellion. Schon allein dafür könnte Kiresh Yaren sie auspeitschen – oder schlimmeres. Unschlüssig betrachtete sie die Klinge, die verzerrt ihr Gesicht widerspiegelte. Sie hatte keine Ahnung, wie man mit einem Schwert umging, auch wenn sie Rondar und anderen Kireshi einige Male beim Training zugeschaut hatte. Hoffentlich traf sie statt der Äste nicht sich selbst oder den Amanori.
    Sie holte ein paar Mal tief Luft und trat vorsichtig einen Schritt auf den Drachen zu. Er verfolgte argwöhnisch jede ihrer Bewegungen, machte jedoch keine Anstalten, sie anzugreifen. Ermutigt hob sie das Kesh über ihren Kopf und ließ es mit aller Kraft auf einen der Astansätze niedersausen, die den Kopf des Amanori niederhielten. Die Klinge schnitt durch das Holz wie durch eine Suugiknolle. Als der Ast zu Boden fiel, gab der Drache einen Laut von sich, als würde eine Glocke angeschlagen. Seine Nüstern zuckten aufgeregt, als er begriff, dass sie ihm wirklich helfen wollte. Von angespannter Erwartung getrieben, von der sie nicht wusste, ob es ihre eigene oder die des Amanori war, hieb Ishira auf einen

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