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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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nur reglos da. Er schaffte es nicht einmal, sie mit Worten des Raums zu verweisen. Sein Schädel pochte, als würde jemand mit einem Hammer auf ihn einschlagen. Alles schien leicht verwischt, als wäre diese Unterhaltung nicht real, sondern Teil eines seiner Träume. »Wie viel weißt du?« hörte er sich fragen.
    »Nur, dass Rondars Kinder bei einem Angriff der Amanori auf Hakkon ums Leben gekommen sind«, beantwortete sie die Frage, die er gar nicht hatte stellen wollen.
    Yaren stützte den Kopf in die Hände und rieb sich die Schläfen, doch der Nebel in seinem Kopf lichtete sich nicht. »Sie wurden bei dem Angriff getötet, ja, aber nicht von den Drachen.«
    Als ihm bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte, presste er die Finger gegen seine Schläfen, als könnte er auf diese Weise den letzten Rest Vernunft festhalten. Reiß dich zusammen, bei allen Göttern! Befiehl ihr endlich zu verschwinden!
    Seine Schutzbefohlene holte hörbar Luft. »Was wollt Ihr damit sagen, Deiro?«
    Er presste die Lider zusammen, als der Schmerz in aller Heftigkeit zurückkehrte. »Dass ich sie getötet habe.« Die Worte waren heraus, bevor er es verhindern konnte.
    Als hätte dieses Geständnis in seinem Innern einen Damm niedergerissen, brach die ganze Geschichte aus ihm hervor wie eine schäumende Flut. Es war unmöglich, die Wahrheit noch länger aufzuhalten, die nach all den Jahren mit Macht ans Licht drängte. Unmöglich, die Worte zurückzudrängen, die seit so langer Zeit darauf warteten, ausgesprochen zu werden.
    »Es war früher Nachmittag«, begann er, den Blick ins Leere gerichtet. »Rondar trainierte mit mir, seinem Sohn Peron und den anderen Schülern auf dem Übungsplatz. Wie so oft stand Larika an der Absperrung und sah uns zu. Der Angriff der Drachen traf uns völlig unvorbereitet. Ich brüllte Larika noch zu, sich in Sicherheit zu bringen, und im nächsten Moment waren die Ungeheuer schon über uns. Peron und ich standen Seite an Seite. Ungeschützt kämpften wir ums nackte Leben.« Das Zimmer verschwamm um ihn, als ihm Tränen in die Augen stiegen. Die Erinnerung war auf einmal so lebendig, dass er glaubte, den Sand des Platzes unter den Füßen zu spüren und den grimmigen Kampfschrei seines Freundes zu hören. »Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Rondars Tochter von einem Drachenblitz niedergestreckt wurde. Ihr Bruder wollte zu ihr laufen, doch wir wurden von einem der Drachen hart bedrängt. Ich gab meinem Freund Deckung und stürzte mich auf das Ungeheuer.« Yaren holte zitternd Luft. »Vor den Lagerhäusern in unserer Nähe stand ein Ochsenkarren, voll mit Waren beladen. Die Tiere gebärdeten sich vor Angst wie wahnsinnig, konnten jedoch nicht fliehen, weil sie mit einem starken Seil an einem Ring in der Wand festgebunden waren. Ich bemühte mich verbissen, die Deckung des Drachen zu durchbrechen, doch die Bestie wich mir immer wieder aus. Ich hatte nur noch Augen für meinen Gegner und schwang in blinder Rage mein Kesh. Plötzlich ging das Ochsengespann durch und der Wagen polterte an mir vorbei. Im ersten Moment dachte ich, das Halteseil wäre gerissen, bis ich begriff, dass ich es mit meinem letzten Hieb durchtrennt hatte.« Seine Hände verkrampften sich. »Der Wagen raste genau auf Larika und Peron zu. Mein Freund hatte seine Schwester auf die Arme gehoben und war eben dabei, sich aus der Hocke zu erheben. Sein Kopf ruckte hoch, als er das Rumpeln hörte, aber er mit dem zusätzlichen Gewicht konnte er nicht schnell genug aufspringen.«
    Nie würde Yaren das jähe Entsetzen in Perons Gesicht vergessen. Vor Schock wie erstarrt hatte er mit ansehen müssen, wie der schwere Wagen das Mädchen, das er liebte, und seinen besten Freund überrollte. Der körperliche Schmerz, als sich die Klauen des Drachen eine Sekunde später in seinen Rücken gruben, war bedeutungslos gewesen gegen den Schmerz, der in seinem Herzen tobte.
    Seine Worte hinterließen tiefes Schweigen, das in das Zimmer einzusinken schien. Yaren ließ die Hände kraftlos in den Schoß fallen. Er konnte nicht fassen, dass er sich einer Sklavin anvertraut hatte. Dass er ausgerechnet ihr sein schreckliches Geheimnis enthüllt hatte, über das er nie zuvor mit jemandem hatte sprechen können. War es ihm leichter gefallen, weil sie eine Fremde war, die keine Beziehung zu seinem früheren Leben hatte? Oder hatte sie ihn einfach im Moment seiner größten Schwäche überrumpelt? Er verachtete sich dafür, dass er sich in diese Lage gebracht hatte. Doch

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