INAGI - Kristalladern
Aufseher ihr Tagewerk begannen, hatte er beschlossen, den Zügel seines Zaumzeugs zu verwenden. Das würde den Zweck ebenso erfüllen und die Angelegenheit wäre vor dem Morgengrauen erledigt. Er wollte nicht, dass eine Horde gaffender, grölender Kireshi um sie herum stand und sich an der Bestrafung ergötzte.
Als seine Schutzbefohlene den Lederzügel in seiner Hand sah, flog ein angstvoller Ausdruck über ihr Gesicht. Yaren wandte den Blick ab. »Folge mir!« ordnete er ohne weitere Erklärung an.
Während er den Weg zu den Lagerhäusern einschlug, wo sie vor schaulustigen Blicken weitgehend geschützt sein würden, fragte er sich ärgerlich, wieso es ihm eigentlich derart zu schaffen machte, das Mädchen zu bestrafen. Sein Vater hatte Sklaven für geringere Vergehen ausgepeitscht und schließlich hatte sie sich das Ganze selbst eingebrockt. Dennoch sträubte sich alles in ihm dagegen, ihr weh zu tun. War es, weil sie für ihn dagewesen war, als er jemanden gebraucht hatte? Weil ihre Entschlossenheit und ihr Mut ihm Respekt abnötigten? Oder weil sie ihn an Larika erinnerte? Äußerlich hatten die beiden Mädchen so gut wie nichts gemein, aber es war diese besondere Mischung aus Sanftmut und Eigensinn, die die Sklavin mit Rondars Tochter teilte.
Yaren ballte seine Hand um das Zaumzeug, bis das Leder in seine Haut schnitt. Wäre ihr Ausflug doch nur unentdeckt geblieben! Aber selbst ein Mädchen wie sie hatte Feinde, die sie genug hassten, um sie an die Wachen auszuliefern.
Als sie den ersten Schuppen erreichten, stieß er die Tür auf und hängte seine Bambuslaterne an den Haken daneben. Kurz überlegte er, ob er die Tür schließen sollte, doch es war wohl besser, sie offen zu lassen, auch wenn er keine Zuschauer wollte. Wenn der eine oder andere die Sklavin schreien hörte, würde niemand daran zweifeln, dass er sie wirklich ausgepeitscht hatte. »Entblöße deinen Rücken und stell dich an den Pfosten da drüben!« ordnete er an.
War es nur das Licht oder war sie tatsächlich um einiges blasser als noch einen Augenblick zuvor? Ihre Lippen zitterten und ihre Augen waren vor Angst geweitet, aber in ihrem leicht nach oben gereckten Kinn lag ein bemerkenswerter Stolz, den er von einer Sklavin nicht gewöhnt war. Yaren hatte nicht gerade erwartet, dass sie vor ihm auf die Knie fallen und um Gnade betteln würde, aber er hatte gedacht, dass sie zumindest versuchen würde, ihn zu überreden, milde mit ihr zu verfahren. Doch sie würde weder das eine noch das andere tun. Und er würde von ihr auch kein Wort der Entschuldigung hören. Die meisten Kireshi hätte die unbeugsame Haltung des Mädchens wohl eher noch mehr erzürnt, aber Yaren imponierte sie.
Er wandte sich ab, damit sie sich entkleiden konnte. Als er sich einen Augenblick später wieder umdrehte, hatte sie ihm den Rücken zugekehrt. Ihr Hemd lag auf dem Boden neben dem Pfahl, das Kleid war bis zur Hüfte heruntergezogen. Sie stand ein wenig vorgebeugt, die Hände gegen den Pfosten gestemmt. Ihren Zopf hatte sie über ihre linke Schulter nach vorn gestrichen. Einen Moment starrte Yaren bewegungslos auf ihre makellose Haut, die im Licht der Laterne seidig schimmerte. Er schluckte hart und fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. Mehrmals atmete er tief ein und aus, um sich für das zu wappnen, was er tun musste. »Bist du bereit?« Seine Stimme klang vor Anspannung barscher als beabsichtigt. Als Antwort kam nur ein kaum wahrnehmbares Nicken.
Yaren schlug fest zu, aber nicht zu fest. Er wollte ihre Haut nicht mehr verletzen als unbedingt nötig. Aber die Schläge mussten zumindest Striemen hinterlassen, sichtbare Beweise, dass er die Strafe vollstreckt hatte, wie es von ihm erwartet wurde. Zehn Peitschenhiebe sollten reichen. Wenn jemand vorher Zeuge ihrer Schreie wurde, könnte er die Sache noch früher beenden.
Doch die Sklavin schrie nicht. Nur ihre Finger schlossen sich immer fester um den Pfosten und sie presste ihre Stirn tief zwischen ihre Handgelenke. Beim sechsten Hieb gruben ihre Fingernägel sich in das Holz, doch sie gab lediglich ein unterdrücktes Wimmern von sich. Yarens Kiefer spannte sich an, bis seine Zähne schmerzten. Warum war sie auch jetzt noch so halsstarrig? Sie hatte bereits bewiesen, dass sie sich von ihm nicht einschüchtern ließ. Warum forderte sie ihn geradezu heraus, ihr weh zu tun? Er wollte sie anbrüllen, ihren Schmerz endlich herauszuschreien, damit er aufhören konnte, sie zu schlagen, aber er wusste genau,
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