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INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
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er hat ihr ordentlich das Fell gegerbt.«
    Entsetzen riss an Kanhiros Eingeweiden. Auch wenn er es im Grunde gewusst hatte, versetzte ihm die Bestätigung einen Schock. Ausgepeitscht. Von diesem Kettenhund. Diesem… Drachenjäger ? Warum ausgerechnet ein Drachenjäger? Von einem solchen Mann war mit Sicherheit kein Erbarmen zu erwarten. Die Vorstellung, dass seine Freundin in diesem Moment vielleicht im Haus des Heilens lag und sich vor Schmerzen wand, drehte ihm beinahe den Magen um. Neben ihm gab Kenjin einen erstickten Laut von sich. Kanhiro schloss seine Hände so fest zur Faust, dass sich seine Nägel ins Fleisch bohrten. Das alles war seine Schuld. Nur seinetwegen hatte seine Freundin so viel auf sich genommen. Dabei hatte er sie niemals in Gefahr bringen wollen. Wenn er sie doch nur nie gebeten hätte, ihm zu helfen! Wenn er doch nur… Er schluckte, um den bitteren Geschmack loszuwerden, der sich in seinem Mund gebildet hatte.
    Der andere Wächter hob die Brauen. »Was denn?« fragte er hämisch. »Gefällt euch die Geschichte etwa nicht? Dabei war es doch eine von euch, die das Halbblut verraten hat. Sonst hätte der Drachenjäger vielleicht gar nicht gemerkt, dass sein Mädchen ausgerückt ist.« Sie lachten beide.
    In Kanhiros Gliedern breitete sich Kälte aus. Was sagte der Gohari da?
    »Verraten?« wiederholte Kenjin fassungslos. Seine Stimme war nicht viel mehr als ein heiseres Flüstern. »Ist… ist das wahr?«
    Der Gardist legte in einer dramatischen Geste eine Hand auf sein Herz. »Würde ich euch belügen?« Wieder lachten sie.
    Kanhiro verengte die Augen. Allem Hohn zum Trotz war er sicher, dass die Wächter sich diese Geschichte nicht ausgedacht hatten. Zorn verdrängte das Entsetzen. Wie tief waren die Bewohner Soshimes gesunken, dass sie sich zu solcher Niedertracht hinreißen ließen? Sah so ihr Dank aus? Er zog Ishiras Bruder weiter, bevor dieser sich von seinem Schreck erholt hatte, weil er das schadenfrohe Lachen der Gohari nicht länger ertrug. In seiner Wut lief er immer schneller. Noch weniger als dem Drachenjäger würde er demjenigen vergeben, der seine Freundin ans Messer geliefert hatte. Wenn er den Schuldigen fand, würde dieser nichts zu lachen haben, so viel stand fest!
    Kenjin stolperte neben ihm her. Er sah noch immer fassungslos aus. »Aber wer… wer würde so etwas tun?« stammelte er. »Nira an die Gohari verraten?«
    Kanhiro biss sich auf die Lippe. Das war in der Tat die Frage. Hatte es etwas mit der Rebellion zu tun? Aber bis jetzt wusste außer Kenjin, Tasuke und dessen Vater niemand von seinen Plänen. Und die drei schieden als Schuldige aus. Dann fiel ihm ein, dass der Wächter von dem Verräter in weiblicher Form gesprochen hatte. Kanhiro runzelte die Stirn. »Eine Frau?« murmelte er vor hin. Welche Frau oder welches Mädchen im Dorf verabscheute Ishira so sehr, dass sie zu solchen Mitteln griff? Und was war ihr Motiv? Auch wenn kaum jemand seiner Freundin besonders freundlich gesonnen war, wüsste er nicht, dass sie eine direkte Feindin hätte. Er konnte sich auch nicht erinnern, dass Ishira bei ihrem letzten Aufenthalt in Soshime eine der Dorfbewohnerinnen verärgert oder beleidigt hätte. Warum also dann? Etwa aus Eifersucht? Hatte es eine der Frauen gestört, dass Ishira sich mit ihm getroffen hatte?
    »Und was sollen wir jetzt tun?« fragte Kenjin mit dünner Stimme. »Lassen wir die Verräterin einfach davonkommen?«
    Kanhiros Kiefer verhärtete sich. »Auf keinen Fall!« stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Ich werde sie finden – und wenn ich dafür jeden einzelnen Stein im Dorf umdrehen muss!«

    * * *

    Ishiras Schonfrist war vorüber. Kiresh Yaren hatte sie morgens in aller Frühe zu den Heilern gebracht und ihre Abschürfungen verbinden lassen, damit sie bei der Arbeit nicht wieder aufrissen. Seine Salbe hatte das Brennen bedeutend gelindert, so dass sie am vergangenen Tag tatsächlich ein wenig hatte schlafen können. Dennoch jagte jede zu hastige Bewegung Wellen von Schmerz über ihren Rücken. Nachdem sie ihren Tragekorb zum vierten Mal gefüllt hatte, wischte sie sich erschöpft über die Stirn. Schon jetzt fühlte sie sich kraftlos und ausgelaugt, dabei war noch nicht einmal Mittag. Doch obwohl alles in ihr danach schrie, sich eine Weile auszuruhen oder wenigstens einen Moment hinzusetzen, wagte sie es nicht, eine Pause einzulegen. Bilar hatte keinen Hehl aus seiner Verstimmung über die Verzögerung gemacht und sie wollte sich

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