INAGI - Kristalladern
Risiken mehr eingehst. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustieße.«
Ishiras Finger verflochten sich mit seinen. »Ich werde vorsichtig sein«, versicherte sie ihm.
Ihre Blicke blieben aneinander hängen. Der Widerschein des Feuers verlieh dem Blau ihrer Augen einen goldenen Schimmer, dessen Wärme sich auf ihn zu übertragen schien. Mit aller Kraft kämpfte er gegen das heftig aufwallende Verlangen an, sie zurück in seine Arme zu ziehen.
Wieder war es Kenjin, der den intimen Moment störte. »Sag mal, Nira, weißt du etwas über diese neuen Waffen, die die Gohari in den Lagern installieren wollen?« fragte er, völlig im Gedanken an die Rebellion aufgegangen. Mit leisem Bedauern befreite Kanhiro seine Hand aus der seiner Freundin und widmete sich wieder dem eigentlichen Thema.
Ishira seufzte kaum hörbar. »Ich habe die Geschütze sogar selbst im Einsatz gesehen«, sagte sie dann. »Eiserne Rohre, durch die mit Hilfe des Kaddors Steinkugeln verschossen werden.« In ihre Stimme schlich sich ein leises Beben. »Sie machen ihrem Namen ‚Drachentöter‘ alle Ehre. Die Amanori, die von den Geschossen getroffen wurden, fielen selbst wie Steine vom Himmel.«
Kenjin erschauerte. »Glaubt ihr, dass die Gohari diese Geschütze auch gegen uns einsetzen, wenn wir sie herausfordern?«
»Darauf kannst du wetten!« entgegnete Kanhiro grimmig. »Wenn wir handeln wollen, sollten wir es bald tun – bevor die Gohari diese ‚Drachentöter‘ in die Siedlungen bringen.«
Seine Freundin sah ihn beklommen an. »Dann werden wir uns vielleicht gar nicht mehr sehen, bevor… « Sie ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen. Das Beben in ihrer Stimme war stärker geworden.
Kanhiros Brust zog sich zusammen. Diesen Gedanken hatte er stets zu meiden versucht. Nicht zu wissen, wann er wieder mit seiner Freundin zusammentreffen würde… oder ob überhaupt… Die Gefahr, dass sie in die Kämpfe geriet und dabei verletzt wurde… Erneut griff er nach ihren Händen und nahm sie in seine. »Wir werden uns wiedersehen«, entgegnete er fest. »Wenn nicht in Soshime, dann in einer der anderen Siedlungen.« Er hob ihre Finger an seine Lippen. »Ich werde dich finden, Shira, egal wo du bist.«
In ihre Augen trat ein feuchtes Schimmern, aber sie lächelte. »Ich werde warten.«
Hinter ihm flog krachend die Tür auf. Flackernder Lichtschein huschte über die Wände. Kanhiro ließ seine Freundin los, schoss von der Bank hoch und wirbelte in derselben Bewegung herum. Im Türrahmen stand Ishiras Bewacher, düster und bedrohlich wie ein Rachegeist. Die Bambuslaterne in seiner Hand, die durch seine ruckartigen Bewegungen wild hin und her schaukelte, verzerrte seine Züge zu einer dämonischen Fratze. In seinen Augen schwelte grünes Feuer.
Kanhiro erstarrte. Ohne ein Wort stürmte der Kiresh in den Raum und packte Ishira, die ebenfalls aufgesprungen war und die Hände entsetzt vor den Mund geschlagen hatte, grob am Handgelenk. Sie warf Kanhiro einen verzweifelten Blick zu, wehrte sich jedoch nicht, als der Kiresh sie hinter sich her zur Tür zerrte. Kanhiros Muskeln spannten sich. Es kostete ihn seine gesamte Selbstbeherrschung, dem Gohari nicht an die Gurgel zu gehen und ihn zu Boden zu werfen.
Kenjin sprang vor, doch Kanhiro bekam ihn gerade noch am Ärmel zu fassen. »Nicht!«
»Lasst meine Schwester los!« schrie der Junge außer sich. Er kämpfte heftig gegen Kanhiros Griff an.
»Sei um Himmels willen still, Ken!« raunte Kanhiro ihm ins Ohr. Er hasste sich selbst dafür, so hilflos zu sein. Doch was er auch sagte oder tat, würde es für Ishira nur schlimmer machen. Außerdem sah er in diesem Moment die gestickte Karte von Inagi auf dem Boden liegen. Sie musste herunter gefallen sein, als seine Freundin aufgesprungen war. Glücklicherweise war der Stoff mit der Rückseite nach oben zu liegen gekommen. Aber sie durften dem Kiresh, der in seinem Zorn bisher nur Augen für Ishira gehabt hatte, auf keinen Fall einen Grund liefern, sich genauer umzuschauen. Wenn er die Landkarte fand, war alles aus. Zähneknirschend sah Kanhiro mit an, wie hinter dem Gohari und seiner Freundin die Tür zuschlug. Es klang entsetzlich endgültig.
Sobald sie aus dem Haus waren, begann Kenjin mit den Fäusten gegen Kanhiros Brust zu trommeln. »Wie konntest du zulassen, dass er Nira einfach mitnimmt?« schrie er tränenerstickt. »Wieso hast du nichts getan?«
Kanhiro ließ ihn gewähren und drückte ihn schweigend an sich. Die Schläge des
Weitere Kostenlose Bücher