INAGI - Kristalladern
dass sie es nicht tun würde. Sie würde höchstens glauben, er wolle sich an ihrem Leid weiden, und erst recht jeden Laut unterdrücken.
Nach dem zehnten Schlag ließ Yaren den Zügel sinken, erschöpft wie nach einem Kampf. Es war genug. Jeder, der wollte, konnte die Striemen auf dem Rücken der Sklavin sehen. »Du kannst dich wieder anziehen.«
Einige Augenblicke lang hielt die Inagiri bewegungslos den Holzbalken umklammert, als hätte sie seine Worte gar nicht gehört. Schließlich löste sie ihren Griff Finger für Finger und zog mit bedächtigen Bewegungen ihr Kleid über der Brust zusammen. Während Yaren sich den Zügel um den Nacken schlang, beobachtete er, wie sie sich, mit einem Ellbogen am Pfosten abstützend, langsam hinunter beugte, um an ihr Hemd zu kommen. Als die Haut ihres Rückens sich spannte, sog sie keuchend die Luft ein und verharrte in halb gebückter Haltung. Yaren konnte es nicht länger mit ansehen. Mit drei Schritten war er bei ihr, nahm ihr Kleid vom Boden auf und legte es ihr um die Schultern, bevor er sie mit einer fließenden Bewegung auf seine Arme hob. Zu überrascht oder vor Schmerzen zu benommen, um sich zu wehren oder ihn zurückzustoßen, zuckte sie lediglich zusammen, als seine Arme gegen ihren misshandelten Rücken drückten, und drehte ihren Kopf zu seiner Schulter, damit er ihr Gesicht nicht sah. Dennoch blieben ihm die Tränen, die unter ihren geschlossenen Lidern hervorquollen, nicht verborgen. Obwohl Yaren sich sagte, dass sie froh sein konnte, dass er sie ausgepeitscht hatte und nicht irgendein anderer, kam er sich vor wie ein Folterknecht. Er ließ die Laterne hängen, wo sie war, und verließ das Lagerhaus. Der Morgen dämmerte bereits, so dass er seinen Weg auch ohne Licht fand. Mit dem Fuß stieß er die Tür hinter sich zu und blickte die Gasse entlang. Glücklicherweise war außer den Wachen noch niemand auf den Beinen.
Er überlegte, ob er das Mädchen zu den Heilern bringen sollte, doch er hatte keine Lust, Fragen zu beantworten oder noch mehr hämische Bemerkungen über sich ergehen zu lassen. Außerdem wollte er nicht riskieren, dass irgendjemand der Sklavin auf die Nase band, wie er von ihrem Verschwinden erfahren hatte. Also trug er sie zurück zur Herberge und legte sie in ihrem Zimmer aufs Bett, wobei er darauf achtete, dass sie auf der Seite zu liegen kam. Abweisend verbarg sie ihr Gesicht in den Armen. Noch immer gab sie keinen Laut von sich. Nur ihre Schultern bebten leicht, als würde sie weinen. Hilflos blickte Yaren auf sie hinunter. Jetzt bereute er doch, sie hierher gebracht zu haben und nicht ins Haus des Heilens. Aber es war wohl ein wenig zu spät, um sich darüber Gedanken zu machen. Da er sich nun einmal so entschieden hatte, würde er sich wohl oder übel selbst um ihre Verletzungen kümmern müssen.
Nach kurzem Zögern ging er nach nebenan in sein eigenes Zimmer und holte die Heilsalbe aus seiner Satteltasche. Als er zurückkehrte, lag das Mädchen noch beinahe genauso da wie vorher. Nur ihr Kleid war ein wenig verrutscht und ließ die Rundung ihrer linken Brust erkennen. Rasch wandte er den Blick ab. Er zog sich den Stuhl heran, der vor dem kleinen Tisch am Fenster stand und setzte sich neben das Bett. Nachdem er das Hemd des Mädchens beiseitegelegt hatte, zog er ihr Kleid noch weiter nach unten. Als er den Schaden betrachtete, den er angerichtet hatte, fühlte er einen Stich der Schuld. An zwei Stellen war die Haut aufgeplatzt und blutete, wenn auch nicht sehr stark. So konnte er die Heilsalbe nicht aufbringen. Er stand wieder auf und ging hinüber zu ihrem Waschtisch. Aus dem Krug goss er etwas Wasser in die danebenstehende Schüssel und trug sie zusammen mit dem Handtuch zum Bett. Er tunkte einen Zipfel des Handtuchs ins Wasser und wrang ihn aus. Behutsam tupfte er damit das Blut ab, bevor er so sanft wie möglich die Salbe auf ihrem Rücken verteilte. Zu Anfang stöhnte das Mädchen kurz auf, danach ließ sie die Prozedur stumm über sich ergehen. Sie war wirklich nicht zimperlich.
Nachdem er den letzten Rest Salbe verstrichen hatte, schüttelte er die Decke aus, die am Fußende des Bettes lag, und deckte seine Schutzbefohlene damit bis zur Hüfte zu. »Du solltest jetzt ein wenig schlafen«, brummte er.
Vorsichtig drehte sie sich herum, bis sie ihn ansehen konnte. Dabei zog sie ihr Kleid mehr schlecht als recht über ihre Brust, um ihre Blöße zu bedecken. Eilig richtete Yaren seinen Blick auf ihr Gesicht. Ihre Augen waren
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