INAGI - Kristalladern
es für sich zu behalten. Und doch gab es niemandem, dem sie sich hätte anvertrauen können.
* * *
Nachdem Kanhiro von Bilar erfahren hatte, dass Ishiras Zustand ihn genötigt hatte, die Sprengung der Kristallader auszusetzen, ließ ihn die Sorge um seine Freundin nicht mehr los, auch wenn ihre Bestrafung nicht so hart ausgefallen war, dass man sie ins Haus des Heilens hatte bringen müssen. Das musste sie der Bedeutung ihrer Fähigkeit zu verdanken haben. Dennoch hatte sich der Schmerz seiner eigenen Auspeitschung zu tief in Kanhiros Gedächtnis eingebrannt, als dass er wirklich hätte erleichtert sein können. Er würde erst dann wieder ruhig schlafen, wenn er sich mit eigenen Augen vergewissert hatte, dass es Ishira gutging. Nur wie sollte er das anstellen, wenn dieser Drachenjäger mit ihr stets als Erster beziehungsweise Letzter kam oder ging? Für den Moment würde er sich wohl damit begnügen müssen, Ozami nach ihr zu fragen.
Tasukes Schwester begegnete ihm ungewohnt zurückhaltend. Erst jetzt ging Kanhiro auf, dass sie den Korb, den sie von ihm bekommen hatte, vermutlich noch nicht verdaut hatte. Daran hätte er wirklich früher denken können!
Während er auf Ozamis gesenkten Kopf blickte, beschlich ihn ungebeten der Gedanke, ob ihr der Verrat an Ishira zuzutrauen war. Daran, dass sie eifersüchtig auf seine Freundin war, bestand kein Zweifel. Aber was hätte es ihr bringen sollen, ihre Rivalin auszuliefern? Sie wusste, dass ihr sein Herz niemals gehören würde, und sie konnte sich wohl denken, dass sie mit einer solchen Tat auch noch seine Achtung verlieren würde.
Als Ozami aufsah und sich ihre Blicke begegneten, biss Kanhiro sich beschämt auf die Lippen. Wie konnte er auch nur einen Moment glauben, dass Ozami einer solch verabscheuungswürdigen Handlung fähig war. Sie war die Schwester seines besten Freundes, bei allen Göttern!
Wenigstens wusste er jetzt, dass Ishira heute wieder zur Arbeit erschienen war. Der Knoten in seinem Magen löste sich ein wenig. »Ist sie schon weg?« erkundigte er sich ohne große Hoffnung. Umso überraschter war er, als Ozami widerwillig den Kopf schüttelte. Er konnte sich diesen Umstand nur damit erklären, dass der Anreshir darauf bestanden hatte, die Trennung der Ader heute zum Abschluss zu bringen. Ohne, dass er es verhindern konnte, hoben sich seine Mundwinkel zu einem idiotischen Grinsen.
Ungeduldig behielt er den Mineneingang im Auge. Nur am Rande bekam er mit, dass Tasuke und seine Familie sich von ihm verabschiedeten. »Sei vorsichtig, Hiro«, warnte sein Freund ihn. »Lass dich nicht von Ishiras Bewacher provozieren.« Kanhiro nickte nur.
Endlich tauchte die ersehnte Gestalt seiner Freundin aus dem Halbdunkel hinter der Brettertür auf, an ihrer Seite der Drachenjäger. Der Gohari musste beschlossen haben, sie keinen Moment mehr aus den Augen zu lassen. Kanhiros Freude darüber, Ishira zu sehen, wich neuer Besorgnis. Jetzt war sie endgültig zur Gefangenen geworden. Und ihr bleiches, schmerzverzerrtes Gesicht verriet, dass sie alles andere als wohlauf war. Als sie ihn entdeckte, lächelte sie, aber es war ein trauriges Lächeln. Nur mit Mühe konnte er sich selbst davon abhalten, zu ihr zu laufen und sie in die Arme zu nehmen. Er würde ihr damit keinen Gefallen tun. Ja, er wagte es nicht einmal, sie anzusprechen.
Neben sich hörte er die stoßweisen Atemzüge ihres Bruders. Er wusste, dass sie besser gehen sollten, aber er konnte sich nicht dazu durchringen, nur den kleinsten Schritt zu machen. Plötzlich stürzte Kenjin vor. »Nira!«
Ishira streckte die Arme nach ihrem Bruder aus, doch ihr Bewacher verstellte ihm den Weg. »Geh zurück, Junge!«
Trotzig wollte Kenjin um ihn herum laufen, doch der Gohari stieß ihn grob gegen die Brust. »Hörst du schwer?«
Kenjin stolperte rückwärts. »Warum wollt Ihr mich nicht zu meiner Schwester lassen?« schrie er aufschluchzend. »Ihr… Ihr…« Glücklicherweise erstickte seine Stimme in Tränen, bevor ihm eine passende Bezeichnung einfiel.
Die Hand des Drachenjägers wanderte zu seinem Schwert und schloss sich um das Heft. »Wolltest du noch etwas sagen?« fragte er gefährlich ruhig.
Ishira stieß einen erstickten Laut aus und griff nach seinem Arm. Kanhiro stockte vor Schreck der Atem, doch erstaunlicherweise schlug der Gohari ihre Hand nicht weg. Im Gegenteil lockerte er seinen Griff um die Waffe, ließ Kenjin und ihn jedoch nicht aus den Augen. »Geht zur Seite!« verlangte er mit
Weitere Kostenlose Bücher