INAGI - Kristalladern
unmissverständlich warnendem Unterton. »Oder muss ich noch deutlicher werden?«
Kanhiro hatte Kenjin fest den Arm um die Schultern gelegt. Als er zurückwich, war der Junge gezwungen, es ihm gleichzutun. Im Vorübergehen streckte Ishira unauffällig ihre rechte Hand hinter dem Rücken aus. Kanhiro schaffte es gerade, ihre Finger mit seinen zu streifen. Sie waren kalt wie die einer Toten. Seine Freundin wandte den Kopf. Ich liebe euch beide , formten ihre Lippen lautlos.
Er hatte nicht gewusst, dass man glücklich sein und es einem im selben Moment nach Weinen zumute sein konnte. Zitternd stieß er die Luft aus und blickte Ishira nach, bis sie durch das Tor verschwand.
Kapitel XXIV – Unheilvolles Weiß
NACHDEM er seine Schutzbefohlene an den Anreshir übergeben hatte, lenkte Yaren seine Schritte zum Übungsplatz. Hier in Ebosagi hatte er keinen Grund, sie ständig im Auge zu behalten. Müßig lehnte er sich gegen die Absperrung des Kampfplatzes und sah einigen jungen Kireshi beim Training zu. Zwei von ihnen fochten nicht schlecht, doch die meisten hatten noch einiges zu lernen. Eigentlich hatte er Mebilor aufsuchen wollen, doch der Heiler war einige Tage zuvor nach Inuyara abgereist, um an irgendeiner Beratung teilzunehmen, und es stand nicht zu erwarten, dass er bis zu ihrer Abreise zurückkehren würde.
Yaren verfluchte sein Pech. Nach dem rätselhaften Vorkommnis in der Mine in Soshime war er überzeugter denn je, dass die Sklavin ihm etwas verschwieg. Zwar glaubte er ihr, dass sie einen Schwindelanfall erlitten hatte, doch er war sicher, dass ihre körperliche Verfassung nicht der einzige Grund für ihren Zusammenbruch gewesen war. Sie hatte abwesend gewirkt, wie in Trance, als hätte etwas von ihrem Geist Besitz ergriffen.
Wenn er nur wüsste, welcher Art ihre Verbindung zum Kristall war und wie weit sie reichte. War es nur eine spezielle Wahrnehmung, wie sie behauptete, oder gab es da noch etwas anderes? Wie viel wusste sie wirklich über die Energie?
Jedenfalls mehr, als sie zugab. Doch egal, wie sehr es ihn nach Antworten verlangte: Yaren wusste nicht, wie er das Mädchen dazu bringen sollte, ihm die Wahrheit zu sagen. Abgesehen davon, dass er ohnehin kein Freund von Drohungen war, solange es andere Wege gab, hielt er es für wenig wahrscheinlich, dass Einschüchterungsversuche gleich welcher Art ihn bei seiner Schutzbefohlenen weiterbringen würden. Andererseits war er bislang auch nicht besonders erfolgreich darin gewesen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie mochte sich um sein Wohlergehen sorgen, aber ihre Gedanken verriet sie ihm nicht.
Unentschlossen fuhr Yaren sich über den Nacken. Vielleicht war er zu lange allein gewesen und hatte darüber vergessen, wie man auf andere Menschen zuging. Aber ihm war einfach nicht nach belanglosem Geplauder zumute. Und er wollte auch nicht riskieren, noch tiefer in den Bann dieses Mädchens zu geraten.
»Von der Drachenjagd zurück, Yaren?« ließ sich hinter ihm die unverkennbare Stimme Etan Bironns vernehmen. »Ich hoffe, du hast einige dieser Biester zur Hölle geschickt.«
Verdrossen wandte Yaren sich um. Etan über den Weg zu laufen, war in Ebosagi beinahe unumgänglich. Auch wenn er nicht die geringste Neigung verspürte, seinem ehemaligen Mitschüler von seiner neuen Beschäftigung zu erzählen, war es wohl besser, mit der Geschichte herauszurücken, bevor Etan sie von jemand anderem hörte.
Über das Gesicht seines Gegenübers huschte ein Schatten, als er von Rondars Tod erfuhr. »Ein schmerzlicher Verlust«, murmelte er. »Als Mensch und Schwertmeister.«
Schweigend schauten sie den angehenden Kireshi beim Fechten zu, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft.
»Aber ich muss sagen, es sieht unserem Seresh ähnlich, dass er dich dazu verpflichtet hat, sich um diese Sklavin zu kümmern«, nahm Etan das Gespräch unvermittelt wieder auf. »Wobei ich mir Schlimmeres vorstellen kann. Ist ein hübsches Ding, wenn ich mich recht erinnere.«
Yaren zuckte mit den Schultern. Er konnte dem anderen die Bemerkung nicht verübeln. Etan hatte seine Ausbildung ein Jahr vor ihm beendet und wusste nicht, was er selbst in Hakkon verloren hatte.
Sein früherer Waffengefährte warf ihm einen abwägenden Blick zu und klopfte sich nachdenklich mit dem rechten Zeigefinger ans Kinn. »Wenn ich dich recht verstanden habe, hast du ein wenig Zeit übrig, solange das Mädchen in der Mine ist.«
Yaren erwiderte seinen Blick argwöhnisch. »Und wenn es so wäre?« fragte er
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