INAGI - Kristalladern
bekommen?« fragte Ozami. Sie konnte die Häme in ihrer Stimme nicht ganz verbergen.
Ishira überlegte fieberhaft, was sie sagen sollte. Ein Teil von ihr schreckte vor dem Wirbel zurück, den die Wahrheit auslösen würde, aber ihr wollte auf die Schnelle keine überzeugende Ausrede einfallen. Außerdem hatte sie doch die Reaktion der Frauen erleben wollen, wenn sie ihnen eröffnete, dass ausgerechnet sie , die verachtete Geishiki, in der Lage war, ihre Ehemänner, Brüder und Söhne zu beschützen. Nach einem letzten Zögern hob sie das Kinn und erzählte den Sortiererinnen, was in der Mine wirklich geschehen war und welche Aufgabe ihr der Hemak übertragen hatte. Ihre Zuhörerinnen erstarrten.
»Du kannst die Kristallenergie fühlen?« flüsterte Midori fassungslos.
Die anderen Frauen sahen aus, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie froh oder schockiert sein sollten. In ihren Gesichtern spiegelte sich eine eigentümliche Mischung aus Unglauben, Hoffnung und Unbehagen.
In Midoris Augen glomm Neugier auf. »Wie klingt der Gesang der Energie?« wollte sie wissen.
»Wen interessiert das schon!« fuhr Ozami sie übertrieben heftig an. Midori schwieg eingeschüchtert.
Ozamis Augen bohrten sich in Ishiras. »Warum ausgerechnet du?« zischte sie.
Unwillkürlich wich Ishira vor der kalten Wut in ihrem Blick zurück.
* * *
Als Kanhiro aus der Mine kam, spürte er sofort die Spannung, die in der Luft lag. »Was ist los?« fragte er Ishira.
»Bilar hat vorhin mit mir gesprochen«, antwortete sie leise.
Er verstand sofort, was sie meinte. Aber warum sah sie so bedrückt aus. Was hatte der Anreshir gesagt? Und wieso machten die übrigen Sortiererinnen solch verkniffene Gesichter? In Ozamis Augen hatte noch einen Moment zuvor geradezu Feindseligkeit gelegen. War Tasukes Schwester etwa neidisch auf Ishira? »Lass uns gehen«, sagte er. »Wir reden besser zu Hause weiter.«
Seine Freundin nickte. Sie schien nur zu begierig, von dort wegzukommen. Am Fluss beschränkte Kanhiro das Waschen auf das Nötigste. Er wollte keine Zeit verlieren zu erfahren, was Bilar mit Ishira besprochen hatte. Kenjin schien ihre Stimmung aufzufangen, denn er beeilte sich erstaunlicherweise ebenfalls und verzichtete auf die übliche Wasserschlacht mit Seiichi und den anderen Jungen.
Als sie Ishiras Haus erreichten, hielt Kanhiro es vor Spannung kaum noch aus. »Was hat Bilar gesagt?« fragte er, kaum dass sie alle um das Herdfeuer saßen und seine Freundin Teewasser aufgesetzt hatte. »Du darfst doch darüber sprechen?« vergewisserte er sich etwas verspätet.
Sie nickte, hielt den Blick jedoch gesenkt. »Ich werde Soshime verlassen«, sagte sie mit flacher Stimme. »Der Hemak will, dass ich die Hauer im gesamten Hem vor der Energie schütze.«
»Im gesamten Hem?« wiederholte Kanhiro ungläubig.
Kenjin blickte verständnislos von einem zum anderen. »Die Hauer vor der Energie schützen? Wovon redet ihr beide eigentlich?«
»Deine Schwester ist mit einer besonderen Gabe gesegnet, Ken«, erwiderte Kanhiro. »Sie kann Shigen vorhersagen.«
Kenjin schwieg einen Moment und lachte dann unsicher. »Das… das meinst du jetzt nicht ernst, oder?«
Als Kanhiro ihn nur schweigend ansah, weiteten sich seine Augen ungläubig und er holte hörbar Luft. »Kannst du Shigen wirklich vorhersagen, Nira? Wie?«
Ishira erklärte es ihm, so gut sie konnte. Die Augen ihres Bruders wurden immer runder, während er zuhörte, aber Kanhiro sah auch, dass es ihn kränkte, dass sie ihre Fähigkeit vor ihm verschwiegen hatte. Seine Freundin merkte es ebenfalls. »Tut mir leid, dass wir es dir nicht früher erzählen konnten, Ken«, entschuldigte sie sich. »Bilar hatte es verboten. Er wollte die Sache zuerst mit dem Hemak besprechen.«
Offenbar gab er sich mit dieser Entschuldigung zufrieden, denn seine Miene verriet nur noch Staunen. »Du hast Hiro gerettet«, sagte er, als müsste er es aussprechen, um es zu glauben.
Kanhiro lächelte. »Da kannst du mal sehen, was für eine großartige Schwester du hast.« Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie sich Ishiras Wangen vor Verlegenheit rosig färbten.
Der Junge reagierte nicht. Seine gerunzelte Stirn verriet, dass er mit eigenen Überlegungen beschäftigt war. »Stellt euch vor, der Amanori hätte mich nicht erwischt!« platzte er heraus. »Dann wären Hiro und ich jetzt vielleicht beide tot! Und Nira wüsste gar nichts von ihrer Fähigkeit. Für uns war es richtiggehend Glück, dass die Drachen
Weitere Kostenlose Bücher