Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
Vom Netzwerk:
und Felsvorsprüngen fest. Niemand rief sie zurück. An einer Stelle war die Böschung zu sehr ausgewaschen und sie musste mühsam über einen Felshaufen klettern. Unter einem welken Blatt dicht vor ihr raschelte etwas. Ishira zog ihre Hand zurück. Ein grünlich geflecktes Etwas huschte über die Steine und verschwand in einem Felsspalt. Erleichtert stieß sie die Luft aus. Eine Eidechse. Als sie schließlich auf Höhe des Wasserfalls anlangte, entdeckte sie zu ihrer Überraschung, dass dahinter eine dunkle Öffnung gähnte. Eine Höhle? Von Neugier getrieben, tauchte sie in die dämmrige Welt jenseits des Vorhangs ein. Die beiden Gohari hatte sie vollkommen vergessen.
    Im Innern war es feucht und kühler als draußen. Ishira fröstelte. Auf ihren nackten Armen bildete sich eine Gänsehaut. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten, doch dann stellte sie fest, dass sie tatsächlich in einer Höhle stand. Sie schien allerdings nicht besonders tief zu sein. Als Ishira einen Schritt vortrat, bemerkte sie aus dem Augenwinkel in den Schatten zu ihrer Linken eine rasche Bewegung. Bevor sie Zeit hatte zurückzuweichen oder auch nur zu schreien, legte sich von hinten eine Hand fest über ihren Mund. Sie erstarrte.
    »Keinen Laut!« zischte eine junge männliche Stimme, dem Vernehmen nach ein Inagiri. »Hast du mich verstanden?«
    Ishira nickte. Ihr Herz hämmerte wild. Die Hand verschwand, doch ihr Angreifer hielt sie weiterhin fest. »Lass mich los!« forderte sie flüsternd.
    Er schnaubte verächtlich. »Damit du zu deinen Kireshi laufen kannst?«
    Seine Wortwahl ärgerte sie. »Was willst du damit sagen?« fauchte sie. »Denkst du vielleicht, ich bin freiwillig mit ihnen zusammen?«
    »Irgendeine Abmachung wirst du mit den Gohari ja wohl haben«, warf er ihr verächtlich vor. »Warum solltest du sonst mit ihnen hier sein?«
    »Ja, ich habe eine Abmachung mit ihnen«, gab sie kühl zurück. »Ich beschütze im Auftrag des Hemaks die Hauer vor Shigen. Deshalb begleiten mich die Kireshi. Zufrieden?«
    Ihr Angreifer schnaubte erneut. »Das soll ich dir glauben? Denkst du, ich bin dumm? Warum bist du dann nicht in der Mine?« Doch er gab sie immerhin so weit frei, dass sie sich umdrehen und ihn ansehen konnte. Ein inagischer Junge – einen knappen Kopf kleiner als sie und vielleicht zwei oder drei Jahre jünger. Er machte keinen besonders gefährlichen Eindruck.
    Ishira seufzte ungeduldig. »Weil die nächste Lotterie frühestens morgen stattfindet«, erklärte sie. »Außerdem könnte ich dich dasselbe fragen. Warum versteckst du dich in dieser Höhle?«
    Von einem Moment auf den nächsten ließ der Junge sich gegen die Felswand sinken, als hätte ihre Frage ihn seiner gesamten Kraft beraubt. »Vorgestern bin ich sechzehn geworden«, sagte er tonlos. »Vor zwei Jahren ist mein älterer Bruder durch Shigen gestorben. Da war er auch gerade erst sechzehn. Ich hatte solche Angst vor der Lotterie, dass ich abgehauen bin.« Er lachte freudlos. »Jetzt hältst du mich bestimmt für einen erbärmlichen Feigling.«
    In Ishira stieg spontan Mitgefühl auf. Kein Wunder, dass sie ihn jünger eingeschätzt hatte. Er hatte noch beinahe etwas Kindliches an sich. »Nein, tue ich nicht«, beruhigte sie ihn. »Ich weiß, wie es ist, jemanden durch Shigen zu verlieren. Mein Vater ist so gestorben. Aber wegzulaufen ist keine Lösung. Und du brauchst die Energie nicht länger zu fürchten.«
    Er sah sie mit geradezu verzweifelter Hoffnung an, als wäre sie der letzte Strohhalm, an den er sich klammern konnte. »Kannst du die Hauer wirklich beschützen?«
    »Ja. Ich habe schon zwei von ihnen das Leben gerettet.«
    »Wie?«
    Sie lehnte sich neben ihn und erzählte ihm von ihrer Gabe. Der Junge wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Er wirkte wieder ein wenig zuversichtlicher. »Wenn du solch eine enge Verbindung zur Energie hast, werden die Gohari vielleicht auch von dir wissen wollen, weshalb sie bei uns schwächer wird.«
    Ishira sah ihn überrascht an. »Bei euch haben die Kristalle auch an Leuchtkraft verloren?«
    Jetzt war es an ihm, erstaunt zu sein. »In deinem Heimatdorf auch?« Sie nickte. »Das ist ja verrückt! Ob es da einen Zusammenhang gibt?«
    Ishira krauste zweifelnd die Stirn. »Wie sollte das gehen? Soshime und Ebosagi liegen mehrere Tagesreisen voneinander entfernt.«
    Ihr Gesprächspartner zuckte mit den Schultern. »Die Kristalladern reichen weit in den Berg. Warum sollten sie

Weitere Kostenlose Bücher