Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
INAGI - Kristalladern

INAGI - Kristalladern

Titel: INAGI - Kristalladern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Strunk
Vom Netzwerk:
stützte sich auf den linken Ellbogen. Als sie aufsah, fiel ihr Blick auf Kiresh Yaren, der die Klinge seines Kesh mit einem Tuch abwischte, bevor er die Waffe wieder einsteckte. Hatte er den Hund getötet?
    Rondar kniete neben ihr nieder und umfasste ihre Schultern. »Geht es dir gut, Ishira?« fragte er voller Sorge. »Bist du verletzt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, ich… « Mit einem Mal versagte ihr die Stimme und sie begann, am ganzen Leib zu zittern, als der Schock über das eben Erlebte einsetzte. Der Bakouran half ihr beim Aufstehen und hängte ihr fürsorglich seine Weste um. Seine Nähe und die Wärme des Stoffes wirkten beruhigend. Langsam ließ das Zittern nach.
    Der Führer des toten Hundes entschuldigte sich bei Rondar für den Vorfall. Mit einer Hand hielt er den inagischen Jungen am Arm fest. Der Arme war kreidebleich. Der zweite Kiresh stand etwas entfernt und versuchte den anderen Hund zu bändigen, der sich noch immer wie verrückt gebärdete.
    Rondar atmete tief durch. »Ich schulde dir etwas, Yaren«, sagte er, sobald die Häscher aus Ebosagi mit ihrem Gefangenen außer Hörweite waren.
    Kiresh Yaren schüttelte abwehrend den Kopf. »Du hattest dein Kesh genauso schnell in der Hand wie ich«, widersprach er. »Ich war dem Hund lediglich einen Schritt näher.«
    Über das Gesicht des Bakouran glitt ein flüchtiges Lächeln. »Auch wenn ich das gern glauben würde: Das Alter lässt sich nicht mehr verleugnen, fürchte ich.« Er blickte den Hundeführern nach, die mit dem jungen Hauer in der Klamm verschwanden. »Ich begreife nur nicht, warum der Hund nicht den Jungen angegriffen hat, sondern Ishira. Und zuerst sogar dich!« Sein Mund verzog sich ärgerlich. »Diese Tiere sind einfach unberechenbar! Ich war immer dagegen, sie auf Menschen abzurichten, und das eben bestätigt nur, dass ich Recht hatte.«
    Der Jüngere schwieg. Sein Blick richtete sich auf Ishira, doch es war nicht zu erkennen, was er dachte. Plötzlich ging ihr auf, dass sie sich noch gar nicht bei ihm bedankt hatte. Sie beugte ihren Oberkörper in einer formalen Dankesgeste bis beinahe zur Waagerechten, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, und verharrte in dieser Position. »Ich danke Euch für meine Rettung, Kiresh Yaren, Deiro.«
    Zunächst reagierte er nicht, doch schließlich murmelte er etwas, das »Schon gut« heißen mochte.

    * * *

    Überraschend schnell brach Ishiras letzter Abend im Haus des Heilers an. Am folgenden Tag würde sie mit Rondar nach Aji aufbrechen, einer kleinen Siedlung etwa anderthalb Tagesreisen entfernt. Es würde die westlichste Station auf ihrer Reise sein, bevor sie sich in einem südlichen Bogen heimwärts wenden würden.
    Ihr Kontakt zu den Bergleuten in Ebosagi hatte sich, wenig überraschend, auf die drei Hauer beschränkt, die sie beschützt hatte. In der letzten Mine war sie dem Jungen aus der Höhle wiederbegegnet. Sein Name war Mifune, wie sie nun endlich erfuhr. Für seinen Fluchtversuch war er tatsächlich mit der Trennung der Kristallader bestraft worden. Ishira war jedoch entsetzt gewesen zu erfahren, dass der Anreshir ihm zusätzlich fünfundzwanzig Peitschenhiebe verabreicht hatte. Mifune hatte sie reichlich kühl begrüßt und keinen Hehl daraus gemacht, dass er ihr die Schuld für seinen geschundenen Rücken gab. Hartnäckig hatte er geleugnet, dass sie ihm lediglich zu dem einzig möglichen Ausweg geraten hatte: sich freiwillig zu stellen. Wohin hätte er fliehen wollen? In die Wälder? Wenn ihn dort nicht die Hunde aufgespürt hätten, dann ein wildes Tier. Oder er wäre verhungert. Aber nichts davon hatte Mifune gelten lassen. Dabei wäre sie seinetwegen beinahe von diesem schauderhaften Hund zerfleischt worden!
    Ishiras Blick fiel auf den leeren Platz ihr gegenüber. Der Mann, der ihr dieses Schicksal erspart hatte, war schon seit Tagen fort. Sie hatte darüber nachgegrübelt, was den jungen Kiresh dazu gebracht hatte, ihr zu Hilfe zu kommen, obwohl sie für ihn nichts weiter gewesen war als eine unbedeutende Sklavin. Am Ende blieben nur zwei mögliche Erklärungen übrig: Entweder hatte er es um Rondars Willen getan oder aus einem Reflex heraus. Dennoch hatte sie es zu ihrer eigenen Verwunderung bedauert, als sie am Abend seiner Abreise den leeren Stuhl gesehen hatte.
    Neben ihr lachte Mebilor laut auf. Er und Rondar plauderten über irgendeine Begebenheit, die schon einige Jahre zurücklag. Erheitert wischte der Heiler sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

Weitere Kostenlose Bücher