INAGI - Kristalladern
nicht irgendwo zusammentreffen?«
Ishira kaute auf ihrer Unterlippe. Galt das genauso für Oshue und Mosuke? Sie hatte die Bergleute dort nicht nach der Kristallenergie gefragt, weil sie gar nicht auf die Idee gekommen war, dass auch Minen in anderen Siedlungen betroffen sein könnten. Es hatte sie auch niemand auf dieses Thema angesprochen. Nicht einmal die Reshiri. Bilar war der Einzige gewesen. Merkwürdig eigentlich, wenn sie jetzt darüber nachdachte. Man hätte meinen sollen, dass den Gohari jede Hilfe willkommen war, wenn ihnen die Kristalle so wichtig waren. Nicht, dass sie ihnen hätte helfen können. Oder wollen…
Durch das Rauschen des Wassers war Hundegebell zu vernehmen. Der Junge fuhr hoch wie von einem Tamonagi gebissen. Seine Augen waren in Panik aufgerissen. »Sie suchen nach mir!«
Die Hunde mussten schon ganz nah sein. Aufgeschreckt spähte Ishira durch den Wasservorhang. Auf der Wiese waren zwei fremde Kireshi aufgetaucht, je einen zottigen Bluthund an der Leine. Die Hunde schnüffelten am Boden und bellten dann wieder wild. Einer der beiden war ein immens großes Tier, das selbst dem Gohari, der ihn führte, beinahe bis zur Hüfte reichte. Ishiras Muskeln spannten sich an. Die beiden Gohari gingen zu Rondar und seinem Freund hinüber, die sich von ihrem Felsen erhoben hatten. Ishira sah Kiresh Yaren zurückweichen und nach seiner Waffe greifen, als der große Hund ihn plötzlich anging. Der Hundeführer zerrte das Tier grob zurück. Rondar blickte sich hektisch um und rief etwas. Ishira bildete sich ein, ihren Namen zu hören. »Geh mit mir zurück!« drängte sie ihren neuen Bekannten. »Wenn du hier bleibst, machst du alles nur noch schlimmer. Die Hunde finden dich auf jeden Fall. Du sitzt hier doch in der Falle. Außerdem macht sich deine Familie bestimmt schon Sorgen.«
Der Junge rührte sich nicht. Sanft griff Ishira nach seinem Handgelenk. »Vertrau mir! Selbst wenn dich die Gohari die Kristallader trennen lassen, weil du weggelaufen bist, wird dir nichts passieren. Ich verspreche es.«
Auch wenn ihm die Furcht deutlich anzusehen war, ließ er zu, dass sie ihn hinter sich her zog. »Ich bin hier, Deiro!« rief sie so laut sie konnte zu Rondar hinüber, als sie hinter dem Wasserfall hervortraten.
Einer der anderen Kireshi wies aufgeregt mit dem Finger auf sie. Er rief irgendetwas, das im Tosen des Wassers unterging. Nacheinander kletterten Ishira und der junge Hauer, von dem sie nicht einmal den Namen kannte, über den Felshaufen und suchten sich auf der schlüpfrigen Uferböschung ihren Weg. Sobald die Hunde ihre Witterung aufnahmen, steigerte sich ihr Gebell zu einem wahren Höllenkonzert und sie zerrten wie wahnsinnig an ihren Leinen. Die beiden Kireshi hatten alle Mühe, die tobenden Tiere festzuhalten. Der Gohari, der den Riesenhund führte, musste sich regelrecht in den Boden stemmen, um nicht von den Füßen gerissen zu werden.
Als Ishira auf die Wiese sprang, peitschte ein schnappendes Geräusch durch die Luft. Der Kiresh fluchte laut, als seine Leine plötzlich schlaff herunterhing. Wie ein entfesselter Dämon schoss der Hund auf Ishira zu, die Lefzen weit zurückgezogen. In seinen Augen lag der pure Trieb zu töten. Der Rest der Leine schleifte hinter ihm her. Ishira und der Junge schrien gleichzeitig auf. Mit seinen sehnigen Hinterläufen stieß das monströse Tier sich vom Boden ab und sprang in einem gewaltigen Satz auf sie zu. Ishira wollte davonlaufen, doch ihr Fuß verhakte sich in einem Grasbüschel und sie stürzte rücklings auf die Wiese. Instinktiv hob sie die Arme vors Gesicht. Im nächsten Moment war der Hund über ihr. Die Wucht des Aufpralls presste ihr die Luft aus den Lungen. Heißer, stinkender Atem schlug ihr ins Gesicht. Ishira schloss die Augen und wartete darauf, dass die spitzen Fänge sich in ihr Fleisch gruben, doch der Schmerz blieb aus. Stattdessen lief urplötzlich ein Zittern durch den Körper des Hundes, dann erschlaffte er. Sein Gewicht lastete schwer auf ihr, doch er rührte sich nicht. Vorsichtig öffnete Ishira die Lider. Direkt vor ihrem Gesicht ragte mit gefletschten Zähnen die Schnauze des Hundes auf. Aus den Lefzen tropfte blutiger Geifer. Seine gelben Augen starrten sie blicklos an. Sie stieß einen erstickten Schrei aus, bis ihr aufging, dass der Hund ihr nichts mehr tun konnte.
Jemand zerrte den Kadaver von ihr herunter. Rondar. Er sah bestürzt und erleichtert zugleich aus. Ishira keuchte, als sie endlich wieder Luft bekam, und
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