INAGI - Kristalladern
saßen vorgebeugt da und verfolgten das Spiel aufmerksam, während Ozami eher gelangweilt dreinblickte. Tasukes Eltern unterhielten sich derweil mit ihren Nachbarn. Das Spiel zog sich in die Länge. Sein Freund brachte Kanhiro ganz schön ins Schwitzen, aber schließlich gelang es ihm um Haaresbreite, ihn zu schlagen.
Tasuke lehnte sich zurück und strich sich über den Bauch. »Ich glaube, ich habe zu viel gegessen«, grinste er träge.
Kanhiro grinste zurück. »Faule Ausrede! Aber ich gebe zu, ich war auch schon schneller im Denken.«
Aus dem Fort drangen Gelächter und rhythmisches Klatschen zu ihnen herüber. Auch die Gohari feierten die Sonnenwende.
Sein Freund musterte ihn fragend. »Revanche?«
»Ach nein«, rief seine Schwester dazwischen und verzog schmollend ihren Mund. »Fällt euch denn nichts Besseres ein? Bestimmt fängt gleich die Musik an.«
»Und?« zog Tasuke sie auf. »Willst du etwa mit mir tanzen, Oza?«
Sie lachte schnippisch. »Mit dir? Da tanze ich noch lieber mit einem Erubuko .«
»Der beherrscht die Schritte wahrscheinlich sogar besser«, kicherte Seiichi.
Kanhiro musste bei der Vorstellung eines auf den Hintertatzen aufgerichteten Erubuko, der brummend hin und her tapste, lachen, obwohl er selbst auch keine elegantere Figur abgab als sein Freund. Wenn er mit Ishira getanzt hatte, war es nur ihrer Geschicklichkeit zu verdanken gewesen, dass er ihr nicht regelmäßig auf die Füße getreten war. Seine Erheiterung trübte sich, als sich Sehnsucht hineinschlich. Er hatte mit seiner Freundin beim Sonnenwendfeuer tanzen und durch das Feuer springen wollen, doch daraus würde nun nichts werden. Zumindest nicht in diesem Jahr.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes versammelten sich die Musiker. Es gab zwei junge Männer, die Trommeln unterschiedlicher Größe schlugen und eine ältere Frau, die auf einer Rohrflöte spielte. Kanhiro dachte daran, wie beim letzten Fest auch sein Vater dort vorn gesessen hatte. Hätte heute Ishira seinen Platz eingenommen, wenn sie hier gewesen wäre?
Als die Drei eine rhythmische Weise zu spielen begannen, standen die ersten Paare auf und schlenderten zur Mitte des Platzes. Ozami klatschte fröhlich in die Hände und warf Kanhiro durch ihre langen Wimpern einen koketten Blick zu. »Wollen wir es auch versuchen, Kanhiro?«
»Ach nein«, flötete Seiichi mit verstellter Stimme. »Fällt dir denn nichts Besseres ein?«
Kenjin prustete los, bis er und Seiichi nach Luft schnappten.
Ozami warf den Kopf zurück. »Was wisst ihr schon?« sagte sie spitz. »Ihr seid noch zu klein, um das zu verstehen.«
»Ach ja?« keuchte Seiichi und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Ich denke, wir verstehen ganz gut.«
Seine Schwester warf ihm einen Blick zu, der einen Kristall zum Zerspringen hätte bringen können. Beinahe wünschte Kanhiro sich, die Geschwister würden in einen ihrer berüchtigten Streits geraten und Ozami ihr Vorhaben darüber vergessen. Er hatte keine große Lust, mit ihr zu tanzen, zumal er sich denken konnte, dass sie ihn nicht nur einfach so gefragt hatte. Aber er konnte sie nicht gut vor den Ohren ihrer Brüder abweisen, ohne sie deren Spott preiszugeben. Was sie wahrscheinlich genau wusste. Hoffentlich zog sie aus seiner Einwilligung nicht trotzdem falsche Schlüsse. Doch es war schließlich nur ein Tanz, richtig? Sicherlich würde Ozami später auch mit anderen jungen Männern tanzen. Widerstrebend stand er auf und reichte ihr die Hand. Ihre Finger fühlten sich kühl und zerbrechlich an. »Also schön, wenn du darauf bestehst. Aber nur ein einziger Tanz. Und ich warne dich, Ozami: ich bin ein lausiger Tänzer.«
Sie lächelte und erhob sich graziös. »Das werden wir ja sehen.«
Kapitel XIV – Inuyara
DER REISEVERKEHR nahm zu, je näher Ishira und der Bakouran der Hauptstadt kamen. Mehrmals passierten sie allein oder in kleinen Gruppen reisende Gohari, die zu Fuß unterwegs waren, und einmal kamen ihnen einige Kireshi zu Pferd entgegen. Ihr Weg führte sie beinahe die ganze Zeit auf halber Höhe an den Ausläufern der Oyatsumi entlang. Bantans und andere Laubbäume wechselten sich mit Bambuswäldern ab. Kurz nach Mittag des zweiten Tages lichteten sich die Stämme. Der Weg führte in Serpentinen abwärts zu einer weitläufigen Ebene. Von ihrem Standpunkt bot sich ein grandioser Blick auf Obstbäume, Wiesen und Felder, die sich unter ihnen ausbreiteten wie ein gewaltiges Ujibobrett. Sie reichten bis an den Rand einer
Weitere Kostenlose Bücher