Incarceron
bauschten sich; unter ihnen flatterte ein Vogel, von einem Lichtstrahl beschienen.
»Wo sind wir?«, murmelte Attia hinter ihm.
Dann durchstieà das Schiff eine Nebelwand, und sie sahen, dass sich der blaue Himmel wie ein Ozean um sie herum ausbreitete; der schiefe Turm des Sapienten befand sich bereits weit hinter ihnen.
Atemlos stürzte Keiro an die Reling und jauchzte vor Freude.
Finn stand neben ihm und schaute zurück. »Warum hat niemand versucht, uns aufzuhalten?« Er griff in seine Jacke und berührte den scharfkantigen Kristallschlüssel.
»Verflucht noch mal, wen kümmert das jetzt noch?«, schrie sein Eidbruder.
Dann schnellte er herum und versetzte Finn einen harten Hieb in den Magen.
Attia schrie auf. Finn brach zusammen, er bekam keine Luft mehr, und der Schmerz mischte sich in Erstaunen und wurde zu einer erstickenden Schwärze, die sich über seine Augen legte.
Gildas schrie von seinem Platz am Steuerrad aus irgendetwas, doch seine Worte wurden vom Wind verschluckt.
Langsam verebbte der Schmerz. Als Finn wieder nach Luft schnappen konnte, blickte er hoch und sah, dass Keiro sich mit ausgebreiteten Armen auf die Reling stützte und mit einem Grinsen zu ihm hinuntersah.
»Was �«
Keiro streckte ihm eine Hand entgegen und zog ihn hoch; Finn taumelte noch etwas, aber kurz darauf standen er und sein Eidbruder sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. »Das wird dir eine Lehre sein, nicht noch einmal dein Schwert gegen mich zu erheben«, sagte Keiro beinahe beiläufig.
27
Sapphique befestigte Flügel an seinen Armen und flog über Meere
und Ebenen, über gläserne Städte und Berge aus Gold. Die Tiere
flohen vor ihm, Menschen zeigten mit den Fingern auf ihn.
Er flog, solange er den Himmel über sich sah, und der Himmel
sagte: »Kehre um, mein Sohn, ehe du zu hoch hinaufsteigst.«
Sapphique lachte, was er nur selten tat. »Dieses Mal nicht.
Dieses Mal klopfe ich an, bis du mir öffnest.«
Aber Incarceron war verärgert und fegte ihn zu Boden.
LEGENDEN VON SAPPHIQUE
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D ie Königin hat gesagt, Jared muss uns verlassen.« Claudia drehte sich zu ihrem Vater um, blickte ihn an und wollte ihn fragen, ob er das veranlasst habe.
»Ich habe dich gewarnt. Es war klar, dass so etwas geschehen würde.« Der Hüter lief an ihr vorbei und setzte sich auf einen breiten Sessel. Dieser stand in der Nähe des groÃen Fensters in seinem Zimmer, und von dort aus blickte man auf die Lustgärten, wo kleine Gruppen von Höflingen einen Spaziergang in der kühlen Abendluft genossen. »Ich denke, du wirst dich damit abfinden müssen, meine Liebe. Dies ist nur ein kleiner Preis, den du bezahlen musst, um im Gegenzug ein Königreich zu bekommen.«
Empört wollte Claudia aufbegehren, doch ihr Vater wandte
ihr den Kopf zu und warf ihr einen seiner kalten, abschätzenden Blicke zu, die sie so fürchtete. »AuÃerdem gibt es etwas viel Dringenderes, über das wir uns unterhalten müssen. Komm her und nimm Platz.«
Alles in Claudia sträubte sich dagegen, aber dann ging sie doch zu dem freien Sessel neben dem vergoldeten Tischchen hinüber und setzte sich.
Der Hüter sah kurz auf seine Taschenuhr, drückte den Deckel wieder zu, der sich mit einem Klicken schloss, und lieà die Uhr auf seiner Handfläche ruhen.
Leise sagte er: »Du hast etwas, das mir gehört.«
Claudia spürte die Gefahr, die ihre Haut kribbelig werden lieÃ. Einen Moment lang konnte sie nicht sprechen, doch dann fand sie ihre Stimme wieder, und erstaunlich gefasst sagte sie: »Tatsächlich? Und was sollte das sein?«
Ihr Vater lächelte. »Du bist wirklich bemerkenswert, Claudia. Obwohl ich selbst dich zu dem gemacht habe, was du bist, überraschst du mich immer wieder. Aber ich habe dich bereits gewarnt, es nicht zu weit zu treiben.« Nun schob er die Uhr doch wieder in seine Tasche zurück und beugte sich vor. »Du hast meinen Schlüssel.«
Entsetzt holte Claudia Luft. Der Hüter lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Das Leder seiner Stiefel glänzte.
»Und du streitest es ja auch gar nicht ab. Das ist sehr klug. Es war genial, ein Bild des Schlüssels in die Schublade zu legen, geradezu genial. Ich schätze, dafür kann ich mich bei Jared bedanken. Als an jenem Tag in meinem Arbeitszimmer der Alarm losging, habe ich die Schublade zwar
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