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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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geöffnet, jedoch lediglich einen kurzen Blick hineingeworfen; ich habe mir nicht die Mühe gemacht, den Schlüssel herauszuholen. Und die Marienkäfer  – was für ein kreativer Einfall. Aber ihr müsst mich schon für einen wirklich großen Dummkopf halten.«

    Claudia schüttelte ihren Kopf. Unvermittelt sprang ihr Vater auf und trat ans Fenster. »Hast du mit Jared über mich gesprochen, Claudia? Habt ihr beide darüber gelacht, dass du mir den Schlüssel gestohlen hast? Ich bin mir sicher, dass ihr beide das sehr erheiternd fandet.«
    Â»Ich habe ihn genommen, weil ich es tun musste.« Claudia presste ihre Hände zusammen. »Du hast alles vor mir versteckt. Und du hast nie mit mir darüber gesprochen.«
    Ihr Vater blieb stehen und sah sie an. Sein Haar hatte er sich jetzt aus dem Gesicht gestrichen, und seine Augen waren ruhig und ernst wie immer. »Worüber denn?«
    Claudia erhob sich sehr langsam und sah ihren Vater unverwandt an. Ȇber Giles«, sagte sie.
    Sie hatte Überraschung erwartet, einen kurzen Moment der verblüfften Stille vielleicht. Aber ihr Vater war alles andere als erstaunt. Und plötzlich war sie sich ganz sicher, dass er auf diesen Namen gewartet hatte und dass sie in eine Falle des Hüters getappt war, als sie ihn laut aussprach.
    Der Hüter antwortete: »Giles ist tot.«
    Â»Nein, das ist er nicht.« Die Juwelen, die an ihrem Hals hingen, kitzelten unerträglich auf ihrer Haut; in einem Anfall von ungeduldigem Zorn riss Claudia sich den Schmuck ab und schleuderte ihn auf den Fußboden. Dann verschränkte sie ihre Arme, und all die Worte, die sich so lange in ihr aufgestaut hatten, platzten plötzlich heraus: »Sein Tod war doch nur vorgetäuscht. Du und die Königin, ihr beide habt es so aussehen lassen, als ob Giles tot sei. In Wahrheit aber ist er in Incarceron eingekerkert. Ihr habt ihm sein Gedächtnis genommen, sodass er nicht einmal selber weiß, wer er ist. Wir konntet ihr das nur tun?« Sie trat mit dem Fuß den Sessel beiseite; er fiel um und rutschte noch ein Stück über den Boden. »Warum sie das wollte, kann ich verstehen, denn ihr ging es darum, dass ihr Nichtsnutz von einem
Sohn König wird. Aber du? Ich war schon mit Giles verlobt. Dein feiner Plan wäre doch ohnehin aufgegangen. Warum hast du uns all das angetan ?«
    Der Hüter hob eine Augenbraue. »Uns?«
    Â»Zähle ich denn gar nicht? Bedeutet dir der Umstand, dass ich nun als Gemahlin von Caspar ende, nichts? Hast du jemals an mich gedacht?«
    Sie bebte. Die Wut ihres ganzen Lebens drängte hervor, die Enttäuschung über all die vielen Male, die ihr Vater sie weggestoßen und monatelang alleine gelassen hatte, und die zahllosen Gelegenheiten, bei denen er sie von oben herab angelächelt, doch niemals in den Arm genommen hatte.
    Mit einem Daumen und einem Zeigefinger kratzte er sich seinen stoppligen Bart. »Ich habe an dich gedacht.« Seine Stimme war leise. »Es war offensichtlich, dass du Giles mochtest. Aber er war ein widerspenstiger Junge, und er war zu freundlich und zu anständig. Caspar ist ein Dummkopf und wird einen armseligen König abgeben. Es wird dir bei ihm viel leichter fallen, das Zepter in der Hand zu behalten.«
    Â»Das war nicht dein eigentlicher Beweggrund.«
    Er wich ihrem Blick aus, und sie sah, wie seine Finger auf den Kaminsims trommelten. Dann hob er eine zierliche Porzellanfigur hoch, betrachtete sie und stellte sie wieder ab. »Du hast recht.«
    Schweigen folgte; Claudia wollte ihn so sehr zum Weitersprechen bewegen, dass sie hätte schreien können. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er endlich zurück zu seinem Sessel ging, sich niederließ und mit ruhiger Stimme fortfuhr: »Ich weiß, dass du mich verachtest, Claudia. Ich bin mir sicher, du und der Sapient, ihr beide denkt, dass ich ein Monster bin. Aber du bist meine Tochter, und ich habe immer in deinem Interesse gehandelt. Außerdem war Giles’ Einkerkerung der Plan der Königin, nicht meiner. Sie hat mich gezwungen zuzustimmen.«

    Claudia schnaubte abschätzig. »Gezwungen! Dann hat sie also Macht über dich!«
    Der Hüter riss den Kopf hoch und zischte: »Ja. Und du ebenso.«
    Eine Sekunde lang schmerzte sie der giftige Unterton in seiner Stimme. » Ich? «
    Seine Hände auf den hölzernen Armlehnen waren zu Fäusten geballt, als

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