Incarceron
waren vor einem offenen Kamin in leichtem Abstand zueinander aufgestellt worden. Eine groÃe Schale mit getrockneten Blütenblättern stand in der ansonsten leeren Feuerstelle.
Trotzdem erschien es ihm wie eine Falle.
»Meister Jared.« Der Hüter deutete mit ausgestrecktem Finger auf einen der Sessel. »Setzt Euch doch.«
Jared war froh über die Aufforderung. Er war atemlos, auÃerdem fühlte er sich schwindlig.
»Ein wenig Wasser?« Der Hüter goss ein paar Schlucke in einen Kelch und reichte ihn Jared. Als dieser davon trank, spürte er, wie Claudias Vater  â nein, er war ja gar nicht ihr Vater  â ihn eindringlich musterte.
»Ich danke Euch.«
»Ihr habt noch nichts gegessen?«
»Nein. In all dem Durcheinander â¦Â«
»Ihr solltet besser auf Euch achtgeben.« Seine Stimme wurde hart. »All die vielen Stunden, in denen Ihr an den verbotenen Geräten gearbeitet habt â¦Â«
Er machte eine Geste mit der Hand. Jared sah, dass der Tisch in der Nähe des Fensters mit Teilen seiner Experimente übersät war. Da lagen seine Scanner, Bildgeräte und die Vorrichtungen, mit denen er Alarmsysteme blockiert hatte. Jared schwieg. »Natürlich wisst Ihr, dass all diese Geräte verboten sind.« Die Augen des Hüters waren jetzt eiskalt. »Wir haben den Sapienti gegenüber immer ein wenig Nachsicht walten lassen, aber Ihr habt Euch offensichtlich zu viele Freiheiten herausgenommen.« Dann fragte er: »Wo steckt Claudia, Meister?«
»Ich habe Euch doch schon gesagt â¦Â«
»Lügt mich nicht an. Sie ist nicht zu Hause. Es fehlen auch keine Pferde.«
»Vielleicht ⦠ist sie zu Fuà unterwegs.«
»Ja, davon gehe ich tatsächlich aus.« Der Hüter nahm Jared gegenüber Platz, und seine Kniebundhosen aus schwarzem Satin legten sich in elegante Falten. »Und vielleicht habt Ihr ja geglaubt,
Ihr würdet gar nicht lügen, als Ihr sagtet, sie sei zu Hause ?«
Jared stellte den Kelch ab. Er und der Hüter sahen einander an.
»Wie hat sie davon erfahren?«, fragte John Arlex.
Jared beschloss, ohne groà nachzudenken, die Wahrheit zu sagen. »Das Mädchen im Gefängnis hat es ihr erzählt. Attia, Finns Freundin. Sie hat es aus irgendwelchen Aufzeichnungen, die sie entdeckt hat.«
Der Hüter nickte langsam und anerkennend.
»Ah, ja. Und, wie hat sie es aufgenommen?«
»Sie war ⦠zutiefst schockiert.«
»War sie wütend?«
»Ja.«
»Etwas anderes hätte ich auch nicht von ihr erwartet.«
»Und traurig.«
Der Hüter warf ihm einen eindringlichen Blick zu, den Jared gelassen erwiderte. »Für Claudia ist das Leben als Eure Tochter immer in festen Bahnen verlaufen, Sir. Sie hat zu wissen geglaubt, wer sie ist. Sie⦠hing an Euch.«
»Lügt mich nicht an.« John Arlexâ plötzlicher Ausbruch war so voller Zorn, dass Jared zusammenfuhr. Der Hüter erhob sich und begann, im Raum auf und ab zu laufen. »Es gab immer nur eine einzige Person in Claudias Leben, an der sie hing, Meister Sapient. Und das wart Ihr.«
Jared saà reglos da. Sein Herz hämmerte. »Sir â¦Â«
»Glaubt Ihr vielleicht, ich wäre blind gewesen?« Der Hüter drehte sich zu ihm. »O nein, das war ich nicht. Sicher, sie hatte Kindermädchen und ihre Kammerzofen, aber Claudia war ihnen allen weit überlegen, und das wusste sie schon früh. Jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, sah ich, wie sie mit Euch lachte und plauderte. Wenn es kalt war, hüllte sie sich in Euren Umhang und lieà sich von Euch heiÃe Kräutermilch und SüÃigkeiten bringen. Mit Euch teilte sie Scherze, die keiner sonst verstand. Gemeinsam mit Euch vertiefte sie sich in ihre Studien.« Er verschränkte seine Arme und starrte aus dem Fenster. »Mir gegenüber war sie immer distanziert und zurückhaltend. Sie kannte mich nicht. Ich war ein Fremder, der Hüter, ein wichtiger Mann bei Hofe, einer der kam und ging. Einer, vor dem man sich in Acht nehmen musste. Ihr hingegen, Meister Jared, Ihr wart ihr Lehrer und ihr Bruder und gleichzeitig mehr ein Vater für sie, als ich es je sein konnte.«
Jared lief es kalt über den Rücken. Hinter der eisernen Maske der Ruhe verbarg sich tief im Innern des Hüters brennender Zorn. Wie tief dieser ging, hatte er nie zuvor auch nur geahnt. Er versuchte,
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