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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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hat sich immer gewundert, warum Ihr bei der ganzen Sache mit Giles Eure Zustimmung gegeben habt. War es, weil die Königin …« Er brach ab; ihm fielen nicht die richtigen Worte dafür ein, doch der Hüter nickte, ohne aufzusehen.
    Â»Erpressung, Meister Sapient. Der Sohn der Königin sollte derjenige sein, der Claudia heiratet. Wenn ich nicht damit einverstanden gewesen wäre, dann, so hatte sie mir gedroht, hätte sie Claudia in aller Öffentlichkeit darüber aufgeklärt, wer sie in Wahrheit ist, um sie so vor dem gesamten Reich zu demütigen. Das hätte ich nicht ertragen können.«
    Einen Moment lang weilten seine Gedanken wehmütig in der Vergangenheit, und er saß reglos da. Dann hob er den Kopf, gewahrte Jareds Blick, und auf seinem Gesicht lag mit einem Mal ein kalter Ausdruck. »Ihr müsst mich nicht bemitleiden, Meister. Das brauche ich nicht.« Er stand auf. »Ich weiß, dass sie ins Gefängnis gegangen ist, um zu diesem Finn zu gelangen. Es gibt nichts mehr, was Ihr jetzt noch vor mir verheimlichen müsstet. Ich weiß auch, dass sie den Schlüssel mitgenommen hat.« Er
lachte bitter. »Und das ist gut so. Denn ohne ihn gäbe es keinen Weg zurück.«
    Plötzlich lief er zur Tür. »Kommt mit.«
    Erschrocken stand Jared auf und kämpfte gegen die Furcht an, die in ihm aufstieg. Der Hüter ging hinaus auf den Gang und versuchte, die Wachen dort mit einem ungeduldigen Wink zu verscheuchen. Die Männer sahen einander an. Einer bemerkte unbehaglich: »Sir, die Königin hat uns den Befehl gegeben, bei Euch zu bleiben. Zu Eurem eigenen Schutz.«
    Der Hüter nickte langsam. »Zu meinem eigenen Schutz. Ich verstehe. Dann bleibt bitte hier und bewacht diese Tür, nachdem ich hindurchgegangen bin. Erlaubt niemandem, uns nach unten zu folgen.«
    Ehe die Männer Einwände erheben konnten, hatte er eine verborgene Tür in der Wandverkleidung geöffnet und stieg vor Jared eine feuchte Treppe hinunter, die zu den Kellern führte. Auf halbem Wege drehte Jared sich um. Die Wachmänner sahen ihnen neugierig hinterher.
    Â»Allem Anschein nach verdächtigt die Königin mich ebenfalls«, sagte der Hüter gelassen. Er nahm eine Laterne aus der Wandhalterung und entzündete die Kerze darin. »Wir werden uns beeilen müssen. Mein Arbeitszimmer hier ist derselbe Raum wie der zu Hause, wie Ihr zweifellos bereits festgestellt haben werdet. Ein Raum auf halbem Wege zwischen dieser Welt und dem Gefängnis, ein Portal, wie es der Erfinder Martor genannt hat.«
    Â»Martors Schriften sind verloren gegangen«, sagte Jared, der ihm hinterhereilte.
    Â»Ich habe sie. Sie sind unter Verschluss.« Seine dunkle Gestalt eilte hurtig die Stufen hinunter. Die Laterne hielt der Hüter hoch erhoben, sodass sonderbare Schatten über die Wände tanzten. Als er zurückschaute, bemerkte er Jareds Erstaunen und
gestattete sich selbst ein Lächeln. »Ihr werdet sie nie zu Gesicht bekommen, Meister.« Zwischen den Fässern war die Dunkelheit am tiefsten; weit über ihnen hörten sie die Stimmen der Wachen, die, unsicher über das weitere Vorgehen, miteinander flüsterten.
    Am Bronzetor angekommen, tippte der Hüter rasch die Zahlenkombination ein; mit einem Ächzen öffnete sich der Durchgang, und als sie hindurchtraten, spürte Jared wieder das merkwürdige Erzittern bei der Raumverschiebung, das er auch beim letzten Mal bemerkt hatte.
    Der weiße Raum justierte sich. Alles war ganz genau so, wie er es verlassen hatte. Plötzlich überfiel Jared Furcht: Was geschah gerade mit Claudia? War sie in Sicherheit?
    Â»Ihr habt sie dorthin geschickt ohne jede Vorstellung davon, welcher Gefahr Ihr sie dadurch aussetzt.« Der Hüter ließ den Kontrollschirm herausfahren und berührte einige Sensoren. »Das Gefängnis zu betreten ist eine riskante Sache, sowohl in körperlicher als auch in psychischer Hinsicht.«
    Der Bildschirm ging an.
    Darauf sah Jared Tausende von Bildern. Sie flackerten; ein Schachbrett aus winzigen Quadraten, leeren Räumen, trostlosen Meeren, hohen Türmen und staubigen Ecken. Er sah eine Straße, durch die sich Menschenmassen schoben, schmutzige Behausungen, in denen sich verkrüppelte Kinder drängten, einen Mann, der ein seltsames Tier schlug, eine Frau, die einen Säugling stillte. Verwirrt trat Jared näher und sah die Bilder an sich

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