Incarceron
und ihr Gesicht glühte vor Zorn. »Und das weiÃt du, seitdem du zurückgekommen bist. Also warum tun wir so, als wenn du es noch
nicht herausgefunden hättest? Ich wollte mir schon immer angucken, wie dein Arbeitszimmer von innen aussieht, und du hast es mir nie erlaubt. Du hast es mir nie erlaubt . Also bin ich eingebrochen. Es tut mir leid, in Ordnung? Es tut mir leid.«
Er starrte sie an. War er erschüttert? Claudia konnte es nicht sagen. Sie selber jedoch zitterte, und die aufgestaute Angst und der Zorn der letzten Jahre darüber, dass ihr Vater ihr eigenes Leben und das von Jared eine derartige Farce sein lieÃ, platzten aus ihr heraus.
Der Hüter hob rasch eine Hand. »Claudia, bitte. Natürlich wusste ich es. Ich bin nicht erzürnt. Viel eher bewundere ich deinen Einfallsreichtum. Der wird sich als sehr nützlich erweisen, wenn du erst im Palast lebst.«
Sie starrte ihn an. Einen Moment lang hatte er erschrocken gewirkt. Mehr als das. Er schien betroffen gewesen zu sein.
Und er hatte den Schlüssel nicht erwähnt.
Der Wind fuhr durch den Rosenbusch und wehte einen erstickenden Duft auf. Claudia war überrascht, dass ihr Vater unwillentlich so viel Gefühl preisgegeben hatte. Als er weitersprach, hatte seine Stimme jedoch wieder den gewohnt beiÃenden Unterton. »Ich hoffe, Jared und du, ihr habt die Herausforderung genossen.« Dann stand er mit einem Mal auf. »Der Earl wartet.«
Claudia guckte finster. »Ich will ihn nicht sehen.«
»Du hast keine Wahl.« Er verbeugte sich und machte sich auf den Weg zur Lücke in der Hecke. Claudia drehte sich herum und starrte seinem Rücken nach. Dann fragte sie: »Warum gibt es keine Bilder von meiner Mutter in diesem Haus?«
Sie hatte nicht gewusst, dass sie das sagen würde. Ihre Stimme hatte hart, fordernd und fremd geklungen.
Der Hüter blieb wie angewurzelt stehen.
Ihr Herz machte einen Satz. Sie verstand sich selbst nicht
mehr, denn sie wollte doch überhaupt nicht, dass ihr Vater sich umdrehte, um ihr eine Antwort zu geben, und sie wollte auch sein Gesicht nicht sehen. Denn wenn sie Schwäche darin entdeckte, würde ihr das Angst einjagen. Zwar hasste sie sein stets kontrolliertes Auftreten, jedoch hatte sie keine Ahnung, was hinter der Fassade schlummerte, sollte diese einmal einen Riss bekommen.
Er antwortete, ohne sich ihr noch einmal zuzuwenden. »Treib es nicht zu weit, Claudia. Stell meine Geduld nicht auf die Probe.«
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Erst als er weg war, merkte sie, dass sie zusammengekauert auf der Bank saÃ; die Muskeln in ihrem Rücken und in ihren Schultern waren angespannt, und ihre Hände krallten sich in die Seide ihres Kleides. Sie zwang sich, tief einzuatmen.
Dann noch einmal.
Ihre Lippen waren salzig vom SchweiÃ.
Warum hatte sie ihm diese Frage gestellt? Weshalb war sie ihr plötzlich in den Sinn gekommen?
Sie dachte nie an ihre Mutter, ja, sie stellte sie sich nicht einmal vor. Es war, als ob sie niemals existiert hätte. Selbst als sie noch ganz klein gewesen war und den anderen Mädchen bei Hofe zugesehen hatte, wie sie mit ihren Müttern spielten, war sie wegen ihrer eigenen nicht neugierig gewesen.
Claudia knabberte an ihren bereits abgekauten Fingernägeln. Sie hatte einen entsetzlichen Fehler gemacht. Niemals, niemals hätte sie diese Frage stellen dürfen.
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»Claudia!«
Eine laute, herrische Stimme. Sie öffnete die Augen.
»Claudia, es hat keinen Sinn, sich hinter all diesen Hecken zu verstecken.«
Ãste wurden zur Seite geschoben und knackten. »Sprecht mit mir. Ich kann den richtigen Weg nicht finden.«
Claudia seufzte. »Also seid Ihr angekommen. Und wie geht es meinem zukünftigen Ehemann?«
»Ich fühle mich erhitzt und verärgert. Nicht, dass Euch das kümmern würde. Hört, von dieser Stelle hier gehen fünf Wege ab. Welchen soll ich nehmen?«
Seine Stimme klang ganz nah; Claudia konnte das teure Duftwasser riechen, das er benutzte. Immerhin schien er es sich nicht wie Evian ins Gesicht zu schütten, sondern es genau angemessen zu dosieren. »Nehmt den Weg, der am wenigsten wahrscheinlich aussieht und bei dem man den Eindruck hat, er führe zurück zum Haus.«
Das verdrieÃliche Gemurmel schien sich zu entfernen. »Das erinnert an unsere Verlobung, würde so mancher sagen. Claudia, holt mich hier raus!«
Sie schnitt eine Grimasse. Er war noch schlimmer,
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