Incarceron
standen offen.
Im Stall roch es nach altem Mist. Fliegen surrten unablässig umher, Wespen flogen durch die offene Tür herein und wieder hinaus, und drauÃen meckerte eine kleine Ziege.
Claudia war kalt vor Furcht und Zorn, als sie sagte: »Sie haben ihn getötet.«
»Das wissen wir nicht.« Jared setzte sich mit einem Mal wieder in Bewegung. Er kniete sich neben den alten Mann und berührte dessen Hals und Handgelenk, dann bewegte er den Scanner über ihm hin und her.
»Sie haben ihn getötet. Er wusste irgendetwas über Giles und den Mord. Und ihnen war klar, dass wir kommen würden.«
»Wer hätte damit rechnen sollen?« Rasch erhob sich Jared wieder und trat zurück in den Wohnbereich des Hauses.
»Evian wusste es. Jemand muss mein Gespräch mit ihm abgehört haben. Und dann ist da noch Job. Ich habe ihn gefragt â¦Â«
»Job ist noch ein Kind.«
»Er fürchtet sich vor meinem Vater.«
»Claudia, ich fürchte mich auch vor deinem Vater.«
Noch einmal warf Claudia einen Blick auf die schmale Gestalt im Stroh und lieà ihrem Zorn freien Lauf, dann schlang sie ihre Arme um ihren Körper. »Man kann die Abdrücke sehen«, flüsterte sie schaudernd.
Die Abdrücke von Fingern. Zwei Blutergüsse, die wie die dunklen Spuren von Daumen aussahen, welche sich tief in das Fleisch eingegraben hatten. »Es muss jemand gewesen sein, der groà war. Und sehr stark.«
Jared öffnete eine Tür der Anrichte und holte Teller heraus. »Auf jeden Fall ist der alte Mann nicht gestolpert.«
Sie drehte sich zu ihm herum.
Energisch schloss er die Tür wieder, ging zum Kamin und starrte hinauf. Zu ihrer Ãberraschung stieg er auf eine der Bänke, streckte seine Hände in die Dunkelheit und tastete blindlings herum. RuÃschauer rieselten zu Boden.
»Meister?«
»Er hat am Hof gelebt, Claudia. Er muss belesen gewesen sein.«
Einen Moment lang begriff sie nicht. Dann begann sie, sich umzusehen, ging zum Bett, drehte die Matratze um und riss den verlausten Strohballen auseinander.
DrauÃen keckerte eine Amsel und flatterte dann davon.
Claudia erstarrte. »Werden sie noch einmal zurückkommen?«
»Möglich. Aber schau dich weiter um.«
Claudia lief suchend durchs Zimmer. Dabei trat sie mit dem Fuà versehentlich auf eines der Bodenbretter, das verdächtig laut knarrte, und als sie sich hinkniete und daran zog, drehte es sich an einer Achse, die vom häufigen Gebrauch leichtgängig war.
»Jared!«
Hier also hatte der alte Mann seine Schätze versteckt. Da lagen eine abgegriffene Börse mit einigen Kupfermünzen darin, eine beschädigte Halskette, die von den meisten Steinen bereits befreit worden war, zwei Federkiele, ein gefaltetes Stück Pergament und, sorgsam ganz unten versteckt, eine Tasche aus blauem Samt, die mit einem Band zusammengehalten wurde und auf Claudias Handfläche Platz fand.
Jared nahm das Pergament heraus, entfaltete es und überflog es rasch. »Sieht wie eine Art Testament aus. Ich war mir sicher, dass er es niedergeschrieben hat! Wenn er von den Sapienti unterrichtet worden ist, ist es nur â¦Â« Er sah zu Claudia, die das blaue Säckchen aufgemacht hatte. Heraus glitt ein kleines, ovales Goldmedaillon, in dessen Rückseite der gekrönte Adler eingraviert war. Sie drehte es herum.
Das Gesicht eines Jungen sah sie an, das Lächeln offen, aber schüchtern, die Augen braun.
Claudia lächelte bitter zurück. Dann sah sie ihren Lehrer an. »Es muss ein Vermögen wert sein, aber er hat es nie verkauft. Er muss ihn wirklich sehr geliebt haben.«
Leise und mit sanfter Stimme fragte er: »Bist du sicher�«
»O ja. Ich bin mir ganz sicher. Das ist Giles.«
Teil 3
Ketten an Händen und FüÃen
15
Sapphique ritt aus dem klirrenden Wald heraus
und sah die Festung aus Bronze. Von überall her
strömten die Leute zu den Toren.
»Kommt mit hinein«, drängten sie ihn,
»schnell, ehe es Euch angreift!«
Er sah sich um. Die Welt war aus Metall,
ebenso wie der Himmel. Die Menschen waren Ameisen
in den endlosen Weiten des Gefängnisses.
»Habt ihr denn vergessen«, rief Sapphique,
»dass ihr bereits im Innern seid?«
Aber die Menschen eilten an ihm vorbei und
sagten untereinander, er sei nicht bei klarem Verstand.
LEGENDEN VON SAPPHIQUE
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