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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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ein Korb mit Delikatessen zusammengestellt wurde, die ich meiner Schwester mitnehmen sollte. Er sorgte auch dafür, dass mir eine Kutsche zur Verfügung stand. Zum Abschied winkte er mir von den Stufen des äußeren Hofes aus zu. Das war das letzte Mal, dass ich ihn zu Gesicht bekam. Als ich bei meiner Schwester ankam, erfreute sie sich ausgezeichneter Gesundheit. Sie hatte keine Ahnung, wer mir diese Nachricht gesandt haben könnte.
    Mir schwante Böses. Ich dachte an die Königin und wollte so schnell wie möglich zurückkehren, doch der Kutscher, der möglicherweise von der Königin bestochen worden war, weigerte sich und behauptete, die Pferde seien zu erschöpft. Heutzutage reite ich nicht mehr, aber damals sattelte ich ein Pferd des Gasthauses und ritt zurück, im gestreckten Galopp, die ganze Nacht hindurch. Ich werde nicht versuchen, das ganze entsetzliche Ausmaß der Sorgen zu schildern, die mich befallen hatten. Ich erreichte einen Hügel, von dem aus ich die tausend Zinnen des Hofes sehen konnte, und an jeder einzelnen wehte ein schwarzer Wimpel.
    Danach erinnerte ich mich nur noch an wenig.
    Sie hatten seinen Leichnam im Großen Ratszimmer aufgebahrt, und nachdem er für das Begräbnis vorbereitet worden war, bat ich darum, von ihm Abschied nehmen zu dürfen. Die Königin erteilte mir in einer Nachricht ihre Erlaubnis und sandte mir jemanden mit, der mich begleiten sollte. Er war
der Sekretär des Hüters, ein großer, schweigsamer Mann namens Medlicote …
    Claudia war so überrascht, dass sie einen Pfiff ausstieß.
    Alys schnarchte und drehte sich um.
    â€¦ Wie ein gebrochener Mann erklomm ich die Stufen.
    Dort lag mein Junge, und sie hatten ihn wunderschön zurechtgemacht. Ich beugte mich vor, um sein Gesicht zu küssen, und Tränen verschleierten mir den Blick.
    Dann jedoch hielt ich in der Bewegung inne.
    Oh, sie hatten ihre Sache gut gemacht. Wer auch immer der Junge war  – er war im richtigen Alter und hatte die richtige Haarfarbe, und der Hautstift war meisterhaft zum Einsatz gekommen. Aber ich wusste es. Oh, ich wusste es.
    Dieser Junge war nicht Giles.
    Ich glaube, ich habe gelacht und vor Freude kurz nach Luft geschnappt. Seither bete ich darum, dass niemand meine Reaktion bemerkt hat und dass niemand weiß, warum ich in Wahrheit gelacht habe. Ich schluchzte und spielte das Faktotum mit dem gebrochenen Herzen, den am Boden zerstörten alten Mann. Und gleichzeitig kannte ich das Geheimnis, welches die Königin und vielleicht auch der Hüter vor allen verbergen wollen.
    Giles ist am Leben.
    Und wo sonst sollte er leben, wenn nicht in Incarceron?
    Alys grunzte, gähnte und schlug die Augen auf. »Sind wir schon in der Nähe des Gasthauses?«, fragte sie verschlafen.
    Claudia starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das Pad. Dann ließ sie ihren Blick zu ihrem Kindermädchen wandern, als ob sie es noch nie zuvor gesehen hätte. Schließlich schaute sie wieder auf das Pad und las den letzten Satz noch einmal.
    Und dann wieder und wieder.

16
    Hintergeht mich nicht, John. Und seid auf der Hut. Bei Hofe
werden Ränke geschmiedet, und es gibt Verschwörungen gegen uns.
Was Claudia angeht, so schließe ich aus dem, was Ihr mir berichtet
habt, dass sie gesehen hat, wonach sie suchte. Wie amüsant,
dass sie nicht einmal erkannt hat, was vor ihren Augen lag.
    KÖNIGIN SIA AN DEN HÜTER
IN EINEM PRIVATEN BRIEF
    Â 
    Â 
    E rst Stunden später konnte Claudia mit Jared allein sprechen. Es hatte schier endlos gedauert, bis jeder sein Zimmer gefunden hatte; der Gastwirt hatte sich unentwegt verbeugt und gekatzbuckelt, das Abendessen und Evians Geplauder hatten sich dahingezogen, ihr Vater hatte sie mit ruhiger Wachsamkeit beobachtet, und Caspar hatte sich ausgiebig über sein Pferd beklagt. Aber endlich, lange nach Mitternacht, klopfte sie an die Tür von Jareds Zimmer auf dem Dachboden und schlüpfte hinein.
    Er saß am Fenster und sah zum Sternenhimmel empor. Ein Vogel pickte Brotkrumen aus seinen Händen. Leise fragte Claudia: »Schläfst du eigentlich nie?«
    Jared lächelte. »Claudia! Bist du närrisch? Du weißt doch, was sie glauben werden, wenn sie dich hier entdecken.«
    Sie antwortete: »Ich bringe dich in Gefahr, ich weiß. Aber wir müssen über das sprechen, was Bartlett geschrieben hat.«

    Jared schwieg einen Augenblick lang. Dann schickte er den

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