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Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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Richterin in der Mitte beide Hände gegen Finns Brust und murmelte: »Ich kann sein Herz spüren. Es schlägt mutig. Fleisch und Knochen des Gefängnisses. Ich kann die Leere in ihm fühlen und die zerrissenen Weiten seines Geistes.«
    Â»Wir fühlen die Trauer.«
    Â»Wir fühlen den Verlust.«
    Â»Er dient mir.« Mühevoll, aber hastig erhob sich Gildas. »Nur mir. Doch ich werde ihn Euch überlassen, Schwestern. Ich biete ihn Euch an, als Wiedergutmachung für unsere Untat. Ein fairer Handel.«

    Finn starrte ihn verblüfft an. »Nein! Das kannst du doch nicht tun!«
    Gildas drehte sich zu ihm. Er war ein kleiner, zusammengesunkener Umriss in der Dunkelheit, aber seine Augen waren hart und blitzten verschlagen von einer plötzlichen Eingebung. Sein Atem ging stoßweise. Vielsagend schaute er auf den Ring an Finns Finger. »Ich habe keine andere Wahl.«
    Die drei Alten wandten sich einander zu. Sie sprachen nicht, doch eine sonderbare Verständigung schien zwischen ihnen stattzufinden. Eine brach in plötzliches Gelächter aus, das Finn den Schweiß auf die Stirn trieb, und entsetzt murmelte der Mann hinter ihm irgendetwas.
    Â»Wollen wir?«
    Â»Sollten wir?«
    Â»Könnten wir?«
    Â»Wir akzeptieren.« Sie sprachen wie mit einer Stimme. Dann beugte sich die greise Richterin zur Linken vor und hob die Spindel auf. Ihre rissigen Finger begannen zu spinnen; sie nahm den Faden und zog ihn zwischen Finger und Daumen hervor.
    Â»Er wird der Eine sein. Er wird unser Tribut sein.«
    Finn schluckte. Er fühlte sich schwach, und sein Rücken war von kaltem Schweiß überzogen. »Was für ein Tribut?«
    Die zweite Schwester maß ein kurzes Stück des Fadens ab. Die dritte nahm die Schere. Sorgfältig trennte sie den Faden durch, und er fiel lautlos zu Boden.
    Â»Der Tribut«, flüsterte sie, »den wir dem Biest schulden.«
    Â 
    Keiro und Attia erreichten die Stadt kurz vor Lichtaus . Das letzte Stück hatten sie hinten auf einem Wagen zurückgelegt, dessen Fahrer sie nicht einmal bemerkt hatte. Draußen vor dem Tor sprangen sie ab.
    Â»Was jetzt?«, flüsterte Attia.

    Â»Wir gehen einfach hinein. Alle anderen sind schon drin.«
    Keiro marschierte voran, und Attia starrte einen Moment lang auf seinen Rücken, ehe sie hinterherrannte.
    Es gab noch ein kleineres Tor und links davon einen schmalen Schlitz in der Mauer. Sie fragte sich, wozu der gedacht war; dann sah sie, dass die Wachen jeden da hindurchlaufen ließen.
    Sie schaute über ihre Schulter auf die hinter ihnen liegende, leere Straße. Weit draußen in der stillen Ebene waren die Verteidigungsanlagen zu sehen; hoch über ihnen kreiste etwas, das wie ein Vogel aussah: ein silberner Funken im gedämpften Licht.
    Keiro gab Attia einen Stoß. »Du zuerst.«
    Als sie näher kamen, musterte der Wachposten sie mit geübtem Blick, dann machte er eine Kopfbewegung in Richtung des Spalts. Attia ging hindurch. Es war ein düsterer, stinkender Durchgang, und er mündete in die mit Kopfsteinen gepflasterte Hauptstraße der Stadt.
    Keiro machte einen Schritt hinter ihr her. Sofort ging ein Alarm los. Keiro drehte sich um. Es war ein leises, aber durchdringendes Pfeifen in der Mauer. Unmittelbar über ihm öffnete Incarceron ein Auge und starrte ihn an.
    Der Wachmann, der gerade das Tor hatte verschließen wollen, unterbrach seine Tätigkeit, wirbelte herum und zog sein Schwert. »Nun, du siehst nicht aus wie …«
    Nach einem gewaltigen Hieb von Keiro in die Magengegend krümmte sich der Mann, nach einem weiteren Schlag prallte er gegen die Mauer und sank zu Boden. Keiro holte tief Luft, ging zum Schaltfeld in der Mauer und stellte den Alarm aus. Als er sich umdrehte, starrte Attia ihn unverwandt an. »Warum bei dir? Weshalb nicht bei mir?«
    Â»Wen interessiert das schon?« Mit raschem Schritt rannte Keiro an ihr vorbei. »Vermutlich hat Incarceron den Schlüssel gespürt.«

    Sie starrte auf seinen Rücken, auf das prächtige Wams und seine Haarmähne, die er so sorglos zurückwarf. Leise, sodass er sie nicht hören konnte, sagte sie: »Und warum hast du dann solche Angst?«
    Â 
    Die Kutsche wackelte, als er zu ihr hineinkletterte, und Claudia seufzte erleichtert. »Ich dachte schon, du würdest nie kommen.«
    Sie drehte sich vom Fenster weg, und die Worte erstarben in ihrem

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